Die Schöpfungstheorie des
Alternativ zu Darwins Theorie der Evolution durch natürliche Auslese gab es
bereits zu seiner Zeit eine alternative Theorie: den Kreationismus (dieser wird
heute in „die alte Erde“, „die Junge Erde und den „Progressiven Kreationis-
mus“ unterteilt). Diese Theorie geht davon aus, dass ein oder mehrere über-
natürliche Wesen – Gott bzw. Götter – die Schöpfer des Lebens, der Menschen
und der Natur sind.
Eine andere alternative Schöpfungs- und Evolutionstheorie, die des soge-
nannten „Intelligenten Designs“ (abgekürzt: ID), entwickelte sich vor allem in
den 1990er Jahren.
Diese geht ebenfalls wie der Kreationismus von einem „kosmischen Bauplan“
des Lebens aus und glaubt im Wesentlichen, dass das Leben und im Beson-
deren das menschliche Leben das Ergebnis eines „Design“ ist, dem komplexe,
nicht auf natürliche Weise entwickelte Prozesse zugrunde liegen.
Dabei wird nicht unbedingt die Existenz einer „Höheren Intelligenz“ im Sinne
eines Schöpfergottes behauptet, obwohl es durchaus ID-Verfechter gibt, die an
einen Gott / Götter oder auch an “Außerirdische” als den/die “Designer” des
Lebens glauben. Doch die eigentliche Wissenschaft des Intelligenten Design
geht nicht so weit, dies zu postulieren.
Die Hauptannahmen der Intelligent-Design-Theorie sind, dass es erstens eine
Ordnung im Universum gibt. Und zweitens, dass die Komplexität von lebenden
Systemen am besten an Hand von zielgerichteten Prozessen und nicht mit
Zufallsprozessen erklärt werden kann.
Gregg Braden erklärt dies folgendermaßen: „Laienhaft ausgedrückt besagt ID
im Grunde, die komplizierten, miteinander verwobenen Systeme, die die Grund-
lage des Universums bilden, sind so fein auf das Leben „eingestimmt“, dass
sie sich nicht zufällig entwickelt haben können, und das Leben mit seiner gan-
zen Komplexität im Allgemeinen sowie das menschliche Leben im Besonderen
können kein biologischer Zufall bzw. nicht das Ergebnis willkürlicher
Mutationen über einen langen Zeitraum sein.
Eines der Hauptargumente der ID-Theorie ist die Komplexität des Lebens an
sich und die verschwindend geringe Chance, dass sich die komplizierte
Funktionsweise der Zelle bzw. das Informationssystem des DNA-Moleküls
spontan als Ergebnis eines nicht zielgerichteten Prozesses über eine lange Zeit
hingweg entwickelt hat.
Darwin selbst bemerkt in „Über die Entstehung der Arten“, wie höchst
unwahrscheinlich es sei, dass einzig und allein die natürliche Auslese für den
Spezialisierungsgrad von Organen und Geweben verantwortlich ist. Als Bei-
spiel nannte er den komplizierten Aufbau eines Auges: „Die Annahme, dass
sogar das Auge mit allen seinen unnachahmlichen Vorrichtungen, um den
Focus den mannigfaltigsten Entfernungen anzupassen, (…) nur durch natür-
liche Zuchtwahl zu dem geworden sei, was es ist, scheint, ich will es offen
gestehen, im höchsten möglichen Grade absurd zu sein.“
Darwin überlässt es uns, Schlussfolgerungen darüber anzustellen, welche
weitere Kraft wohl für die Komplexität des Lebens verantwortlich sein könnte.
Als Francis Crick, Nobelpreisträger und Mitentdecker des DNA-Moleküls,
gefragt wurde, wie wahrscheinlich es sei, dass das Leben seinen Ursprung in
einer Reihe zufälliger Ereignisse hat, sagte er: „Ein ehrlicher Mensch, der über
alles derzeit vorhandene Wissen verfügt, könnte höchstens sagen, dass die
Entstehung des Lebens in gewissem Sinne derzeit fast wie ein Wunder er-
scheint; so viele Bedingungen müssten zusammentreffen, damit Leben ins
Leben gerufen werden kann.“
Charles Darwin machte seine Beobachtungen im Jahr 1859. Fast 100 Jahre
später kam Crick – unter Nutzung all der ungeheuren Fortschritte in Wissen-
schaft und Versuchsmethoden – zu einem ähnlichen Schluss.
Bei diesen Aussagen von Darwin, Crick und den heutigen Anhängern der
Theorie des Intelligenten Designs geht es um die Komplexität des Lebens an
sich. Darwin verfügte nicht über das heutige Wissen über Zellen und DNA.
In Anerkennung dieser brachte I.L.Cohen, Mathematiker und Mitglied der New
Yorker Akademie der Wissenschaften, es auf den Punkt (...) : „In dem Moment,
als man die Funktionsweise des DNA/RNA-Systems verstand, hätte die Debatte
zwischen Evolutionisten und Kreationisten eigentlich sofort ein jähes Ende
finden müssen. Was die DNA/RNA impliziert, war völlig klar und eindeutig“.
Cohens Aussage geht auf einen wesentlichen Punkt ein, der die Rolle der
Evolutionstheorie heute kennzeichnet. Darwin konnte zu seiner Zeit nicht
wissen, dass selbst die einfachsten Bakterien, die einzelligen E.coli, 2000
unterschiedliche Proteine zum Leben benötigen und dass jedes dieser Proteine
aus durchschnittlich 300 Aminosäuren besteht. Ebenso wenig konnte er etwas
über die hohe Komplexität der Grundbausteine des Lebens wissen.
Eines der stärksten Argumente, dir für ID sprechen, ist eben diese Komplexität
und die Tatsache, dass viele Systeme des Lebens eine nicht reduzierbare
Komplexität aufweisen.
„Nicht reduzierbare Komplexität“ klingt sehr technisch, aber die Idee dahinter
ist eigentlich sehr einfach. Im Wesentlichen besagt sie, dass das ganze System
ausfällt, wenn ein Teil davon nicht mehr funktioniert. Das wird gerne mit dem
Beispiel der Uhr beschrieben oder mit einer ganz normalen Mausefalle. Sind
alle Teile an ihrem Platz, erfüllt die Falle ihren Konstruktionszweck: Sie fängt
Mäuse oder andere kleine Tiere, die den Köder, ein Stückchen Käse oder
Erdnussbutter, erhaschen wollen: dann schnappt die Falle zu und landet einen
tödlichen Schlag ...
Ein anderes Beispiel: Damit es zur Gerinnung kommt und die Blutung aufhört,
bedarf es 20 verschiedener Proteine. Fehlt auch nur ein einziges, funktioniert
die Gerinnung nicht, und die Blutung hört nicht auf, bis der gesamte Körper
ausgeblutet ist. All die 20 Proteine müssen gleichzeitig gemeinsam dafür
sorgen, ihre Aufgabe zu erfüllen.
Unter Evolutionsaspekten bedeutet das, alle 20 erforderlichen Proteine muss-
ten bereits an ein und derselben Stelle ausgebildet sein, bevor sich das lebens-
spendende Blut bilden konnte – eine Lebensfunktion, die keinesfalls auf
evolutionärem Weg entstanden sein kann.
Und das ist nur ein Beispiel. Die Flimmerhärchen (Zilien), mit denen sich Zellen
in Flüssigkeit fortbewegen, bestehen aus über 40 beweglichen Teilen; sie alle
werden benötigt, damit die Zelle schwimmen kann. Fehlt auch nur ein Teil, ist
die Zelle unbeweglich.
Die menschliche Zelle wird als komplexestes Maschinenteil, das jemals
existiert hat, bezeichnet. Bis Mitte des 20. Jahrhunderts betrachtete man Zellen
mehr oder weniger als winzige Behälter für chemische Verbindungen. Inzwi-
schen wissen wir, dass nichts weiter von der Wahrheit entfernt sein könnte.
Könnte man eine einzige Zelle auf die Größe einer
Kleinstadt
vergrößern, wäre sie komplexer als die Infrastruktur der Stadtverwaltung …
Je mehr wir über jeden einzelnen Prozess lernen, desto klarer wird, dass die
gesamte Zellmaschinerie bereits geschaffen und funktionsfähig sein musste,
damit unsere ersten Zellen das tun, was sie tun. Von der Blutgerinnung bis zu
den Flimmerhärchen – all das sind wunderbare Beispiele für die nicht
reduzierbare Komplexität des Lebens. (…)
Aus solchen Beobachtungen kann man erahnen, wie unwahrscheinlich es ist,
dass wir das Ergebnis eines „glücklichen Zufalls“ der Schöpfung sind. (…)
Ordnung – so etwas wie vorhersehbare und wiederholbare Muster, die mit
allgemein gültigen Formeln beschrieben werden können – wird in der Natur oft
als Zeichen von Intelligenz angesehen. In seinen sehr freimütigen Interviews im
Alter gab Albert Einstein zu, er glaube an eine solche Ordnung im Universum
und habe auch eine Ahnung, woher sie kommt: „Ich sehe ein Muster, aber
meine Vorstellung kann sich kein Bild vom Schöpfer dieses Musters machen
(…) Wir alle tanzen zu einer geheimnisvollen Melodie, die in der Ferne von
einem unsichtbaren Bläser gespielt wird.“
Auf unserer Suche nach Lebenssinn gilt die bloße Präsenz einer Ordnung oft
als Zeichen für die Existenz von Einsteins „unsichtbaren Bläser“.
Selbst der allerskeptischste Wissenschaftler sieht, dass die DNA des Lebens
einer hochkomplexen Informationsabfolge ähnelt, wie ein Programm, das
unseren Zellen sagt, was sie wann zu tun haben.
Sowohl das Intelligent Design als auch die Evolutionstheorie warten mit nütz-
lichen Erkenntnissen über unseren Ursprung auf; doch vielleicht stellt sich
heraus, dass die bislang vorliegenden Hinweise dann am besten erklärt werden
können, wenn wir die Hauptkonzepte beider Theorien zusammenführen.
Eine solche hybride Schöpfungstheorie würde sowohl der Evolution Rechnung
tragen und bestätigen, dass unsere Welt uralt ist und geologische Prozesse
tatsächlich über sehr lange Zeiträume ablaufen, als auch die Sichtweise des
Intelligenten Designs mit einbeziehen, nämlich: Hinter all den etablierten
wissenschaftlichen Fakten gibt es eine besondere Kraft, welche die Lebens-
bedingungen geschaffen und dafür gesorgt hat, dass Leben auf der Erde über-
haupt möglich ist, und die auch nach genau drei Zellteilungen, wenn wir acht-
zellige Lebewesen sind, den genetischen Code aktiviert ....
(S.213ff.)
Gregg Braden zieht folgendes Resumee: „Die Fragen nach dem Ursprung des
Lebens haben natürlich starke, unter Umständen eher unbequeme Konsequen-
zen. Denn wenn wir hinter unsere uralten, ewigen Geheimnisse schauen, müs-
sen wir radikal umdenken – über uns, unsere Beziehungen zueinander und das
Leben an sich.” (S.220)