Andreas Englisch wurde während seiner Zeit mit Papst Johannes Paul II. immer
wieder mit außergewöhnlichen Geschehnissen, die im Zusammenhang mit seinem
Wirken auftraten, konfrontiert. Dies führte ihn, den Ungläubigen, zu der Frage, ob
der Papst vielleicht tatsächlich wundertätige Heilkräfte besaß oder sogar eine
„prophetische Gabe“.
Da Johannes Paul II. nicht wollte, dass über diese Geschehnisse gesprochen und
berichtet wurde, ging Andreas Englisch dieser Frage im Geheimen nach. Erst einige
Jahre nach dem Tod von Johannes Paul II, hat er seine Recherchen veröffentlicht. Und
diese bringen tatsächlich Erstaunliches ans Licht.
So hielt Johannes Paul II. jeden Tag in seiner Privatkapelle eine Frühmesse ab. Diese
Messen waren sagenumwoben. Denn während dieser Messen soll der Papst Tat für
Tag versucht haben, Wunder von Gott zu erbitten. Und Andreas Englisch konnte bei
seinen Recherchen tatsächlich Fälle aufdecken, in denen ein „Wunder“ (meist in Form
einer wundersamen Heilung) passiert war .
Nur wenige Menschen wurden zu dieser Frühmesse mit dem Papst in der päpstlichen
Kapelle eingeladen, doch eines Tages erhielt auch Andreas Englisch die Gelegenheit,
an einer solchen teilzunehmen.
Er schildert seine Erlebnisse folgendermaßen: „Ich wollte in die Kapelle hineingehen,
als mir ein junger Priester ein Zeichen machte, ich solle stehen bleiben. Erst dann sah
ich ihn. Papst Johannes Paul II. lag auf dem Boden, mit ausgebreiteten Armen vor
dem Altar. Er lag auf dem Bauch, wie eine gewaltige weiße Taube, die zeigen wollte,
dass sie zu allem bereit war. Es war still in der Kapelle. Irgendwann stand der Papst
langsam auf. Das einzige Geräusch war das Knirschen seiner Lederschuhe. Er legte
die Messgewänder an, und wir setzten uns lautlos in die Kirchenbänke, das bunte
Glas der Kapelle gab unseren blassen frühmorgendlichen Gesichtern einen seltsamen
Schein. (…)
Eine Ordensschwester mit einer hohen schwarzen Haube betrat jetzt die Kapelle, sie
hatte ein Bündel Zettel in der Hand, ging zur Gebetsbank, die für den Papst bestimmt
zu sein schien, klappte die Gebetsbank auf und legte diese Zettel hinein. Ich ahnte
nicht, was das für Zettel sein könnten.
Nie vergessen werde ich, dass Johannes Paul II. einen großen Teil der Messe so las,
als seien wir gar nicht da. Er hatte an diesem Morgen, wie jeden Morgen, eine
Verabredung mit Gott – und erst dann mit der kleinen Schar Besucher. Ich sah ihm
zu, wie er unendlich lange im Gebet vor dem Altar kniete. Ich hatte das Gefühl, als
spürte er, und nur er, dass etwas in diesem Raum konkret anwesend war, etwas, das
außer ihm aber keiner spüren konnte, zumindest nicht so stark. Schon damals wusste
ich, was er auf die Frage zu antworten pflegte, ob er die Muttergottes schon einmal
gesehen habe: „Nein, aber ich kann sie fühlen.“
Besaß der Papst tatsächlich diese besondere, einzigartige Beziehung zu Gott? Der
komplette Vatikan rätselte über diese Frage. Der Papst hatte insbesondere das
Staatssekretariat mit seiner konkreten Beziehung zu Gott sprachlos gemacht,
spätestens seit der Ausrufung des Kriegsrechtes in Polen und seit dem turbulenten
Jahr zuvor.
US-Präsident Jimmy Carter hatte im Winter 1980 persönlich Papst Johannes Paul II
darüber informiert, dass die Sowjetunion starke Panzerverbände an der Ostgrenze
Polens zusammengezogen hatte. In der damaligen DDR waren die Truppen der NVA
mobilisiert worden und bereit, in Polen einzumarschieren.
Der Papst warnte in einem persönlichen Telefonat den Staatschef der UdSSR, Leonid
Breschnew, dass er die Russen durch den Einmarsch in Polen auf eine Stufe mit den
Nazis stellen werde. Der Angriff wurde abgeblasen.
Doch im Winter 1981, in der Nacht vom 12. auf dem 13. Dezember, übernahm das
polnische Militär die Kontrolle und rief in Polen das Kriegsrecht aus. Das
Staatssekretariat erwartete vom polnischen Papst Anweisungen, wie nun auf
diplomatischer Ebene vorzugehen sei, doch Johannes Paul II. gab eine unglaubliche
Antwort: „Warten wir auf das Zeichen, das uns Gott geben wird, dann wissen wir,
was zu tun ist.“ Würde der ewige Gott im Himmel sich tatsächlich mit einem Zeichen
aus dem Himmel in die Tagespolitik des Vatikan einmischen? Aber Karol Wojtyla
meinte das exakt so.“ (A.E.*, S.45 ff.)
Auch Joachim Kardinal Meisner, Bischof von Köln und langjähriger Freund von
Johannes Paul II., berichtet von einem ähnlichen Vorfall – ein Vorfall, der zeigt, dass
der Papst bereits 1980 wusste, dass der Kommunismus keinen Bestand haben wird.
Kardinal Meisner war 1980 Bischof von Berlin und wurde von Papst Johannes Paul II.
nach Köln abberufen, wo der Bischofsstuhl frei geworden war. Einige Wochen vorher
hatte der Kardinal bei einem Katholikentreffen in Dresden in seiner Predigt gesagt,
„dass unser Land nicht Produkt des real existierenden Sozialismus ist, sondern ein
Stück Schöpfung Gottes, und dass die Menschen die hierzulande wohnen, Kinder
Gottes sind, für die wir Mitverantwortung zu tragen haben. Darum können wir nicht
alle in den Westen gehen. Wir bleiben als Christen hier vor Ort, aber wir wollen
dabei keinem anderen Stern folgen als dem Stern von Bethlehem“.
Kardinal Meisner war deshalb bestürzt, dass er nun vom Papst, 6 Wochen später, in
den Westen abberufen wurde. Er eilte nach Rom, um Johannes Paul II. seine Lage zu
erklären: „Der Papst hörte sich das an und sagte, ich sollte mir keine Gedanken
machen, denn ich würde nur der erste Ostdeutsche sein, der nach Westdeutschland
ginge. Danach würden mir viele folgen, denn das System werde kippen. Ich konnte
das einfach nicht glauben. Auf meinen Einwand, ob er mehr wisse und Hinweise von
Geheimdiensten hätte, zeigte er zum Himmel und sagte: „Dort oben ist mein
Geheimdienst“. Ich verließ den Papst niedergeschlagen und traurig, weil er meiner
Meinung nach einem großen Irrtum erlag. Aber der Papst behielt recht!“ („Der
Jahrhundertpapst seliger Johannes Paul II.“, S.87)
Auch Andreas Englisch erlebte diese besondere Nähe, diesen
direkten Kontakt, den Johannes Paul II. anscheinend zu Gott,
Jesus und zur Gottesmutter Maria anscheinend besaß, noch einige
Male hautnah.
Wie an jenem besonderen Tag auf dem Sinai, als der Papst am
26. Februar 2000 vor dem dortigen orthodoxen Katherinenkloster
beten wollte:
„Ich glaube, dass ich nie an einer päpstlichen Zeremonie teilgenommen
habe, bei der ich ihm so nahe war. Wir saßen uns gegenüber , er saß auf
einem Prodest und ich daneben. Ich hätte nur den Arm ausstrecken
müssen, um ihn berühren zu können. Das lag natürlich vor allem
daran, dass zu dieser Zeremonie mitten in der Wüste insgesamt nur ein
paar Dutzend Pilger gekommen waren.
Karol Wojtyla saß da und tat nichts, minutenlang. Alle warteten auf die
Ansprache des Papstes, aber er tat nichts. Er schwieg. Endlich begriff
ich, was er da machte. Er wartete. Er wartete auf Gott.
Nur ein paar Schritte entfernt von der Stelle, an der Papst Johannes
Paul II. saß, soll sich Gott Moses in einem Feuerbusch gezeigt haben,
Elijas erschien hier in Form eines Windhauchs. Jetzt betete Johannes
Paul II. als erster Papst der Geschichte, als erster Nachfolger des
Heiligen Petrus, an diesem Ort. Gott würde sich also zeigen, er würde
Kontakt aufnehmen, mit dem Mann aus Wadowice, davon schien der
Papst überzeugt zu sein. Karol Wojtyla blinzelte mir zu, als wollte er
sagen, warte nur, er wird kommen. Aber wie wird man ihn erkennen,
fragte ich mich und sah dem Papst zu, der betete und wartete.
Manchmal blickte ich den Papst fragend an: Was ist denn jetzt? Und er
gab mir mit einem Blick zu verstehen: Warte geduldig. ER wird
kommen.
Dann auf einmal änderte sich Johannes Paul II. völlig. Er schien von
irgendetwas erfasst zu werden, irgendetwas Großem, etwas, das ich
nicht sehen konnte. Von einer Sekunde auf die andere war es ein wenig
windig geworden, und am Wüstenhimmel war eine einzige kleine
Wolke erschienen. Ich sah Karol Wojtyla beten, was immer hier
passierte, passierte in ihm, nicht hier draußen. Das war nicht zu
übersehen. Ich hatte den Eindruck, er spreche mit jemanden, den nur er
sehen konnte, der von irgendwoher aufgetaucht war. Aber das
Erstaunliche in diesem Augenblick war etwas anderes. Es waren seine
Augen. Als er mich wieder ansah, stand diese unglaubliche Freude in
seinen Augen. Er nickte mir zu und sagte: „Siehst du, ER ist
gekommen. Erstmals in der Geschichte war ein Papst auf dem Sinai,
und ER ist gekommen und hat uns begrüßt.“
Diese unglaublich konkrete Art, mit Gott umzugehen, hatte manchmal etwas
Überraschendes, etwas Schockierendes, ja Verrücktes. Selten habe ich das so deutlich
erlebt wie in Havanna. Es war ein grauer, dunkler Tag. Das Regime von Fidel Castro
hatte den Menschen unterschwellig damit gedroht, dass sie sogar ihren Arbeitsplatz
verlieren könnten, wenn sie zur Messe des Papstes kämen, aber es kamen 300.000, zu
viele, um sie alle einzusperren. Um den Papst zu ärgern, hatte das Regime statt eines
Kreuzes ein Abbild von Che Guevara aufstellen lassen.
Während der Messe riss der Himmel auf. Es wurde sehr windig, und ganz plötzlich
herrschte strahlender Sonnenschein. Der Papst unterbrach seine Rede. Er sah auf die
Karibische See, die jetzt blau glitzerte, der Wind fegte über das Wasser. Statt
weiterzupredigen, sagte er: „Diesen Wind halte ich für sehr, sehr bedeutungsvoll.“
Für ihn war es der Heilige Geist. Aber konnte man im launischen Wetter der Karibik,
das in dem Augenblick umgeschlagen war, als der Papst gepredigt hatte, ein Zeichen
des Heiligen Geistes sehen? Karol Wojtyla war so, genau so. Er sah Gottes Wirken und
die Zeichen Gottes um sich herum. Er glaubte nicht an Zufall.“ (A.E.*, S.46 ff.)
*) Andreas Englisch: „Der Wunderpapst Johannes Paul II“. , C.Bertelsmann Verlag, 2011