Von Rom zurückgekehrt, wurde Karol Wojtyla zuerst der kleinen Gemeinde
Niegowic, 50 Kilometer östlich von Krakau, zugewiesen:
Als Karol Wojtyla in Niegowic eintraf, “küsste er zunächst die Erde; diese
Geste hatte er vom hl. Johannes M.Vianney, dem Segenspfarrer von Ars,
übernommen. Umgeben von goldgelben Kornfeldern, in einem Pfarrhaus
ohne elektrischen Strom, lernte er nach dem Pfarrdienst für den
theologischen Kurs an der Jagiellonen-Universität. Am 16.Dezember 1948
wurde sein in Rom erworbener Doktorgrad auch hier offiziell anerkannt.
Im März 1949 rief ihn der Erzbischof nach Krakau zurück, übergab ihm die
St.Florians-Kirche im Universitätsviertel. Jetzt war Wojtyla erst richtig in
seinem Element. Die Jugendarbeit lag ihm, das studentische Milieu war
seine Welt. Er unterstützte Seminare, die im Widerspruch zur
kommunistischen Staatsdoktrin standen und darum im Verborgenen
abgehalten werden mußten, veranstaltete Theater- und Filmvorführungen
und richtete Gesprächsabende ein, in denen er bereit war, mit den
Jugendlichen über jedes Thema zu reden, auch über Fragen rund um Liebe
und Partnerschaft.
Der junge Priester galt als aufgeschlossen, weltoffen und unkonventionell.
Während andere die Moralkeule schwangen und misstrauisch über
eventuelle Verfehlungen wachten, hörte er geduldig zu und gab konkrete
Ratschläge. Die Aufgabe des Seelsorgers in Fragen der Sexualmoral, so
schrieb er 1960 in seinem Buch “Liebe und Verantwortung”, “ist nämlich
nicht so sehr, zu gebieten und zu verbieten, als vielmehr zu begründen, zu
erklären und zu erhellen.”
Die Leibfeindlichkeit vieler Kleriker war nicht für einen wie ihn, der
leidenschaftlich Fußball spielte, wanderte, Kanu, Kajak und Ski fuhr, Leib
und Seele, das Geistige und das Sinnliche, gehörten für ihn zusammen. Der
Sexualtrieb an sich war “Teil der göttlichen Ordnung”, bedeutete eine
Mitwirkung am Schöpfungswerk - aber er gehörte in die Ehe. Vorehelichen
Geschlechtsverkehr, “Lust als Selbstzweck”, lehnte er ebenso wie die
Empfängnisverhütung zeitlebens ab.
Regelmäßig organisierte er Ausflüge in die Natur. Hier, auf den Feldern, in
den Wäldern, auf den Bergen und den Flüssen der Tatra fühlte er sich Gott
besonders nahe, hier wollte er auch andere zu ihm führen.
  Sonne und Sterne, Wasser und Luft, Pflanzen und Tier sind Gaben,
  mit denen Gott die Bleibe, die er in seiner Liebe dem Menschen auf
  Erden bereitet, angenehm und schön gemacht hat. Wer das verstanden
  hat, kann nicht anders, als mit ehrfurchtsvoller Dankbarkeit auf die
  Geschöpfe der Erde zu blicken und sie mit verantwortungsbewußter
  Aufmerksamkeit zu behandeln, die ein gebührender Blick auf den
  göttlichen Geber ihm auferlegt,
erklärte er am 27. Mai 1984 auf einem Pastoralbesuch in Viterbo, Italien, den
Jugendlichen. “Sie beteten gemeinsam, sie beteten täglich den Rosenkranz,
sie sangen Kirchenlieder, gingen in die Messe ...  Die Messe fand in einem
Bauernhaus neben dem Zelt auf einem umgedrehten Kanu statt”, schilderte
ein Teilnehmer eine solche Exkursion Wojtylas. Um nicht Anstoß bei den
kommunistischen Machthabern zu errgen, kleidete er sich dabei bewusst
leger:  Er trug kurze Hosen oder Wanderkluft, ließ sich als “Wujek” (Onkel)
anreden. Niemand sollte sehen, dass hier ein Priester in der Natur das
Evangelium verkündete.
Noch als Bischof, ja bis zu seiner Wahl zum Papst pflegte er regelmäßig in
den Ferien mit Freunden an die Masurischen Seen oder in die Berge zu
fahren. Dort war es, beim Skifahren, wo er einen anderen Priester traf, der
ebenfalls die Skier, den Schnee und die Berge liebte: Stanislaus Dziwisz
wurde zu seinem engsten Freund und Vertrauten und später zu seinem
persönlichen Sekretär.”
Quellenangabe:
*)  Michael Hesemann/ Arturo Mari, „Johannes Paul II. – Erbe und Carisma, 2011,
     Sankt Ulrich Verlag, S.42 ff.
Karol Wojtyla als junger Priester
Das Universitätsviertel in Krakau