Anfechtung der Bundespräsidenten-Wahl
Könnte es nun tatsächlich zu einer Aufhebung der Bundespräsidentenwahl kom-
men? Es wäre jedenfalls das erste Mal in der Geschichte der Zweiten Republik und
-  nach dem extrem polarisierenden Wahlkampf (und einem “Fast-Sieg” des FPÖ
Kandidaten Norbert Hofer)  - eine weitere Blamage für die Demokratie in Öster-
reich (ein Lob allerdings an den VfGH für das transparente Verfahren ...)
Eine Aufhebung der Wahl käme jedenfalls sehr teuer: laut “Österreich” würde eine
Hofburg-Neuwahl dem Steuerzahler 16 Millionen Euro kosten  ...
Die Bundeswahlbehörde sieht jedenfalls keinen Grund für eine Wahlwieder-
holung: In allen 113 Bezirkswahlbehörden sei bei der Stichwahl korrekt vorge-
gangen worden, es gebe auch keine Hinweise auf Manipulationen, und ein Vorsor-
tieren sei nicht rechtswidrig, hieß es laut „Presse“-Vorausmeldung in der Gegen-
schrift...
Auch die Grünen halten die Aussagen und Vorhalte von FPÖ-Anwalt Dieter
Böhmdorfer für übertrieben. Taschenspielertricks seien das. Unter anderem zähle
Böhmdorfer Stimmzettel, die er - zusammenfassend ausgedrückt - aus mehreren
Gründen für juristisch fragwürdig hält, mehrmals. Und er komme so auf 290.000
fragwürdige Stimmen, während es - so der Grün-Abgeordnete Dieter Brozs -
bereinigt nur 109.000 seien ... 
Dies wird nun vom Verfassungsgerichtshof geprüft - und zwar in einer
öffentlichen Verhandlung (ebenfalls ein Novum), die heute (20. Juni) beginnt
und voraussichtlich vier Tage dauern wird. Dabei sollen 90 Zeugen - zumeist
Wahlbeisitzer und Wahlleiter - befragt werden.
Die Höchstrichter müssen vor allem zwei Fragen beantworten:
1. In welchen Fällen könnte es dazu gekommen sein, dass die Wahlent-
scheidung einzelner Wähler untergegangen ist?
2. Und wenn: waren es genügend solcher Fälle, damit das etwas am
Wahlergebnis hätte ändern können? 
Die Wahl muss jedenfalls nur wiederholt werden, wenn es einen Einfluss auf
das Wahlergebnis gibt. Und: die Vorwürfe und Untersuchungen betreffen nur
die Auszählung der per Briefwahl abgegebenen Wahlkarten ... 
Zur Erinnerung: Van der Bellen lag am 22. Mai um 30.863 Stimmen vorne.
Übrigens: Vorwürfe einer möglichen Wahlmanipulation bringt die FPÖ lt. ORF
zwar medial vor, in der Anfechtung steht davon aber nichts.
Und: die Anfechtung könnte auch Folgen für die Wahlbeisitzer haben: gemäss
Tageszeitung “Heute” hat das Innenministerium alle betroffenen Bezirkswahl-
behörden angezeigt. Das Bundesamt für Korruptionsbekämpfung ermittelt
wegen des Verdachts auf Amtsmissbrauch und falsche Beurkundung im Amt.
Strafmaß: bis zu 3 Jahre Haft.
Grund: Die FP-Anfechtung der Wahl stützt sich auf eidesstattliche Erklärungen
von Wahlbeisitzern. Darin festgehalten: Unregelmäßigkeiten bei der Briefwahl-
Auszählung. Aber: Zuvor hatten sie mit ihrer Unterschrift die gesetzeskon-
forme Auszählung bestätigt ... (Anmerkung: um sich nicht selbst zu belasten
könnten sich die Zeugen in der Verhandlung der Aussage entschlagen. Der VfGH
entscheidet darüber von Fall zu Fall) 
Bei Wahlanfechtungen ist der VfGH übrigens erste und letzte innerstaatliche
Instanz zugleich. Die Höchstrichter werden deshalb alles daransetzen, dass die
Entscheidung so unangreifbar wie nur irgend möglich sein wird.
Hier weitere Details zu dem Verhandlungsmarathon ...
Und: welche Aufgabe haben Wahlbeisitzer bei einer Wahl
Sie kontrollieren unter anderem die Auszählung der Stimmen und Wahlkarten.
Nominiert werden sie von den Parteien. Bei der Wahl sind es jene Personen, die
den Pass und den Namen im Wählerverzeichnis kontrollieren und abstreichen ...
Hier ein Hintergrundbericht einer Wahlbeisitzerin ...
sowie einige Kommentare ...
20.6.2016
aktualisiert: 21.6.16   
 
FPÖ Kandidat Norbert Hofer und der designierte
Bundespräsident Alexander Van der Bellen
 (Bild: tagesschau.de)