Mitte Mai hat der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan angekündigt, dass die
Präsidentschafts- und Parlamentswahlen bereits am 24. Juni stattfinden - 19
Monate früher als geplant.
Die Opposition wurde von der Entscheidung überrumpelt, die Suche nach
einem gemeinsamen Kandidaten gegen Erdogan scheiterte. Sollte Erdogan in der
ersten Wahlrunde keine absolute Mehrheit erhalten, könnte sich die Opposition in
der Stichwahl aber noch hinter dem stärksten Gegenkandidaten zusammen-
schließen.
Um das zu verhindern, ist Erdogan ein Bündnis mit der ultrarechten Partei
der Nationalistischen Bewegung (MHP) des 70-jährigen Devlet Bahceli
eingegangen, mit dem er seit dem Putschversuch im Juli 2016 kooperiert. Das
Wahlbündnis soll der durch eine Parteispaltung geschwächten MHP den Einzug
ins Parlament erlauben und Erdogan eine absolute Mehrheit bereits in der ersten
Runde sichern.
Die derzeit größte Oppositionspartei, die traditionsreiche Republikanische
Volkspartei (CHP), tritt mit ihrem populären Abgeordneten Muharrem Ince
gegen Erdogan an. Auf einer Kundgebung vor Tausenden Anhängern erklärte Ince
am Freitag in einer Sporthalle in Ankara, er wolle ein überparteilicher Präsident
sein. Er werde als Staatsoberhaupt die Vetternwirtschaft in Justiz und im öffent-
lichen Dienst beenden und die Wirtschaft wieder in Schwung bringen. „Als euer
Präsidentschaftskandidat verkünde ich eine 51-tägige Mobilmachung“, sagte Ince
mit Blick auf die verbleibende Zeit bis zum 24. Juni...
Auch die frühere Innenministerin Meral Aksener tritt gegen Erdogan an. In
einer Wahlumfrage Mitte April sahen sie Meinungsforscher auf Platz zwei hinter
Erdogan. Aksener war im vergangenen Jahr aus der ultrarechten MHP-Partei aus-
getreten und hatte die Partei Iyi (Gute Partei) gegründet. Der 61-Jährigen wird zu-
getraut, Stimmen nationalistischer Wähler aus verschiedenen Lagern zu gewinnen.
Für die meisten Kurden ist sie dagegen nicht wählbar, da sie die Kurden bis heute
nicht als eigenständige Volksgruppe anerkennt. Im Ausland wird Aksener oft mit
der französischen Rechtspopulistin Marine Le Pen verglichen.
Die prokurdische Demokratische Partei der Völker (HDP) schickt ihren
früheren Vorsitzenden Selahattin Demirtas als Präsidentschaftskandidaten ins
Rennen - obwohl dieser seit eineinhalb Jahren in Haft sitzt. HDP-Chefin Pervin
Buldan forderte am Freitag beim Wahlkampfauftakt in Diyarbakir erneut dessen
Freilassung.
In seiner Botschaft aus dem Gefängnis im westtürkischen Edirne machte
Demirtas deutlich, dass er nicht mit einem fairen Wahlkampf rechne. „Es
besteht kein Zweifel, dass es ein schwieriger und ungerechter Wahlkampf sein
wird.“
Eine Meinung, der sich unabhängige politische Beobachter anschließen. Der nach
dem Putschversuch im Juli 2016 verhängte Ausnahmezustand wurde Mitte April
um drei Monate verlängert. Damit sind wichtige Grundrechte wie die Versam-
mlungsfreiheit eingeschränkt.
Außerdem wurde erst im März eine umstrittene Wahlreform beschlossen, die die
Kontrolle der Regierung über den Wahlablauf stärkt.
Mehr dazu siehe: http://orf.at/stories/2436780/2436779/
Österreich, Deutschland und Niederlanden haben übrigens Wahlkampfauftritte von
Erdogan untersagt. Deshalb gab es am 20.5. eine große Wahlkampfveranstal-
tung des türkischen Präsidenten in Sarajevo, die zu heftigen Kontroversen
führte ...
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