Ihre Biografen Dimitri Popov und Ilia Milstein schreiben über diese Phase
des Lebens von Julia Timoschenko folgendes:
“Nach dem Fußball auf dem Hof gab es für sie nur noch das Turnen. Als sie
es aufgeben musste, war das für sie ein erster schwerer Schicksalsschlag.
Denn Julia turnte mit Leidenschaft. Die Gründe dafür lagen auf der Hand:
Hier konnte sie die beiden wichtigsten Seiten ihres Wesens voll ausleben -
den Drang nach Bewegung und maximaler körperlicher Verausgabung
zugleich mit ihrem Wunsch, die Schönste zu sein. Wenn sie graziös am
Balken turnte, waren die furchtlose Fußballerin und die Tänzerin im
Matrosenkostüm miteinander versöhnt.
Vorbilder, die ihren Ehrgeiz anstachelten, gab es zur Genüge.
Da war vor allem Olga Korbut, die die ganze Sowjetunion liebte und die
Presseleute das “Wunder mit Zöpfchen” tauften. Mit acht Jahren betrat Olga
zum ersten mal eine Turnhalle. Sie war die Kleinste in ihrer Klasse. Mit
ihrem Triumph bei den Olympischen Spielen von München 1972 - drei
Goldme-daillen! - setzte sie der Epoche der reifen Frauen ein Ende. Mit ihr
begann im Frauenturnen die Ära der halben Kinder - kleine, zarte Mädchen
ohne Busen und weiblichen Hüften. Diese Winzlinge hatten vor nichts
Angst, dafür aber einen eisernen Willen.
Dieser Trend war die Chance für Julia, die immer unter ihrer geringen Größe
gelitten hatte. Die sowjetischen Turnerinnen glänzten in der ganzen Welt,
räumten bei Meisterschaften und Olympischen Spielen im Ausland die
Medaillen und zu Hause die staatlichen Auszeichnungen ab. Eine berühmte
Turnerin zu werden, war der Weg aus dem “Haus des Taxifahrers” in ein
unbeschwertes, wunderbares Leben voller Applaus, Blumen und allgemeiner
Beliebtheit.
Von der Kehrseite des Leistungssports - von Doping und späteren
Gesundheitsproblemen der Turnerinnen, verursacht durch Überanstrengung
und Verletzungen im frühen Kindesalter - wusste man damals noch nichts
oder wollte nichts davon wissen. Erst Jahrzehnte später, als Olga Korbut
nach Amerika ging, sollte sie von ihrem Trainer berichten, der sie und die
anderen Mädchen mit Prügeln zu sportlichen Höchstleistungen trieb oder
zum Sex zwang.
Julia hatte die Zielgerade zum Erfolg schon erreicht, war Anwärterin auf den
Titel “Meister des Sports”, als sie beim Training vom Balken stürzte und
sich das Schlüsselbein brach. Eine wahre Katastrophe. Der Bruch erwies sich
als so kompliziert, dass sie alle Hoffnung auf eine sportliche Karriere
begraben musste. Aber vom Turnen sind ihr die tadellose Körperhaltung und
der eiserne Wille zum Sieg geblieben. In einem Interview sagte Julia
Timoschenko später, sie fühle sich noch immer wie eine Sportlerin, der keine
Anstrengung zu schwer ist.”
    Quelle: Dmitri Popov/Ilia Milstein, “Julia Timoschenko - die autorisierte
                   Biografie”, 2012 Redline Verlag, S.36 ff.   
Olga Korbut auf einer aserbaid-
schanischen Briefmarke
Skulptur von Olga Korbut in
Tussauds Wachsfigurenkabinett
(Quelle:Wikipedia, Nevit Dilmen)
XX. Olympische Sommerspiele.
Die Finalwettkämpfe der Frauen im
Turnen an den einzelnen Geräten,
standen am Abend des 31.8.1972
völlig im Zeichen der großartigen
Mädchen aus der UdSSR und der
DDR. Die 19jährige Berliner
Medizinstudentin Karin Janz
(rechts), erkämpfte sich zwei
Goldmedaillen. Hier während der
Siegerehrung am Stufenbarren, wo
sie 19,675 Punkte erreichte. Für
Erika Zuchold (links, beide DDR).
und Olga Korbut (UdSSR, mitte),
die sich nach der Konkurrenz
freudig beglückwünschen, gab es
mit der gleichen Punktzahl von
19,450 je eine Silber-medaille. 
(Quelle: Wikipedia,  Fotografen
    Kohls,Ulrich)