Spekulationen über die Maidan-
Scharfschützen
Wer war für die Gewalt beim Umsturz in der Ukraine verantwortlich? Ein
abgehörtes Telefonat des estnischen Außenministers mit der EU-
Außenbeauftragten wirft Fragen zum Blutbad in Kiew auf.
Brandsätze und Feuerwerkskörper flogen, die Polizei setzte Tränengas ein und es fielen
gezielte Schüsse von den Dächern um den Maidan. Zwischen dem 18. und 20. Februar
brach in Kiew die Hölle los. Bei den Ausschreitungen kamen dutzende Demonstranten
ums Leben, viele von ihnen wurden mit einem einzigen Schuss getötet. Unter den Opfern
waren auch Sicherheitskräfte.
Die prowestliche Opposition, die mittlerweile die Macht in Kiew übernommen hat,
machte den damaligen Präsidenten Viktor Janukowitsch für die Todesschüsse
verantwortlich. Doch ein abgehörtes und veröffentlichtes Telefonat zwischen dem
estnischen Außenminister Urmas Paet und der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton
hat Spekulationen darüber ausgelöst, in wessen Auftrag die Scharfschützen handelten.
"Großes Misstrauen gegenüber der neuen Regierung"
Das Telefonat fand am 26. Februar statt, nach der Rückkehr des Außenministers von
einem Besuch in Kiew. Woher der Mitschnitt stammt und wer ihn veröffentlicht hat, ist
unklar. Seine Echtheit wurde vom estnischen Botschafter in Kiew bestätigt.
"Es ist zunehmend die Auffassung anzutreffen, dass hinter den Heckenschützen nicht
Janukowitsch, sondern jemand von der neuen Koalition stand", beschreibt Paet darin
seinen Eindruck nach dem Besuch in Kiew. Er beruft sich dabei vor allem auf ein
Gespräch mit der Aktivistin und Ärztin Olga Bogomolez, die vielen als Heldin des Maidan
gilt und in der neuen Regierung eine Rolle spielen sollte, dies aber abgelehnt hat.
Bogomolez habe ihm Fotos gezeigt und gesagt, die Wunden aller Toten und Verletzten
trügen die gleiche Handschrift und seien mit dem gleichen Typ Munition zugefügt
worden. Paet wirft in dem Gespräch auch die Frage nach der Bereitschaft der neuen
Koalition auf, die Vorgänge genau zu untersuchen. Es gebe großes Misstrauen unter den
Maidan-Aktivisten gegenüber den Mitgliedern der neuen Regierung.