Zumeist bezeichnet der Begriff Offshore-Finanzplatz (wörtlich küstenferner
Finanzplatz, Finanzplatz jenseits der Küste) Standorte, die sich durch niedrige
Steuern, ein hohes Maß an Vertraulichkeit und Geheimhaltung (keine Weiter-
gabe von Informationen über Finanztransaktionen und Eigentumsverhältnisse)
und eine minimale Finanzmarktaufsicht und -regulierung auszeichnen (siehe
auch Steueroase).
Ansässige Banken und andere Finanzinstitutionen wickeln einen Großteil ihrer
Geschäfte im Ausland ab und die Transaktionen und Anlagesummen sind im
Vergleich zum Umsatzvolumen der lokalen Realwirtschaft extrem groß.
Viele Offshore-Finanzplätze liegen auf kleinen Inseln. Zumeist handelt es sich
um ehemalige britische Kolonien oder Dependenzen, woher ursprünglich auch
die Bezeichnung stammt (übersetzt so viel wie jenseits der Küstenregion, d. h.
in internationalen Gewässern liegend). Allerdings ist Offshore heute in diesem
Zusammenhang nicht geographisch, sondern vielmehr juristisch zu verstehen:
die Finanzplätze liegen außerhalb der üblichen Rechtsnormen.
Wirtschaftsstruktur
Wichtige Standortfaktoren in Offshore-Zentren sind niedrige oder keine
Steuern, ein geringes Maß an Regulierung, ein gutes Bankgeheimnis, ein
relativ hoher Bildungsstand, wenig Korruption, Rechtssicherheit und politische
Stabilität.
Der Finanzsektor ist in Offshore-Finanzplätzen zumindest in der Außenwirkung
der dominierende Faktor. Angesiedelt sind Banken, Versicherungen (zum
Beispiel Eigenversicherer) sowie Trusts oder Fonds zur Vermögensverwaltung.
Auch werden von Onshore-Unternehmen Firmen gegründet, die Teile ihres
Geschäfts abwickeln, um beispielsweise Haftungsgefahren zu verringern, aber
auch um kriminelle Aktivitäten zu verschleiern und Steuerzahlungen zu
minimieren.
Weiter gibt es Privatpersonen, die in Offshore-Finanzplätzen Vermögen
verwalten, meistens mit dem Ziel, die höheren Steuersätze in ihren Heimat-
ländern zu umgehen. Die Rechtssicherheit und Stabilität der Standorte ist im
Vergleich zu vielen Schwellen- und Entwicklungsländern hoch, was dazu führt,
dass wohlhabende Privatpersonen und Firmen ihre Finanzen häufig hier
verwalten.
Etwa 6–8 % des weltweiten Vermögens werden nach Schätzungen der OECD in
Offshore-Standorten verwaltet.
Die wirtschaftliche Struktur der verschiedenen Standorte unterscheidet sich
allerdings sehr stark. Während beispielsweise Vanuatu dem Klischee einer
Steueroase mit einem hohen Anteil an Briefkastenfirmen (siehe auch Brief-
kastenbank) und wenigen materiell dort stattfindenden Geschäftsaktivitäten
entspricht, sind Standorte wie Luxemburg (nach der Schweiz eines der größer-
en Zentren von Privatbanken in Europa) oder die Bermudas (besonders im
Bereich Rückversicherungen aktiv) inzwischen komplexe Standorte, die in
ihren Märkten wichtige Cluster gebildet haben.
Ein wenig beachteter Bereich der Geschäftsaktivitäten in Offshore-Standorten
ist die Registrierung von Schiffen (Panama, Bahamas) und Flugzeugen
(Bermuda, Cayman Islands). Bei Schiffen spielt vor allem die Umgehung von
arbeitsrechtlichen Vorschriften eine Rolle.
Flugzeuge werden in Offshore-Standorten registriert, wenn Flugunternehmen
aus Entwicklungs- oder Schwellenländern neutralen Boden brauchen, um mit
Banken aus Industrieländern in der Finanzierung zusammenzuarbeiten.
Problematik von Offshore-Finanzplätzen
Befürworter von Offshore-Finanzplätzen betonen ihre wichtige Rolle im
internationalen Währungssystem, in dem sie durch ihre liberalen Gesetze die
Entwicklung besonderer Instrumente beispielsweise zum Risikomanagement
erlauben. Auch seien sie wichtig als Regulatoren, die verhinderten, dass
Regierungen die Steuern zu weit anheben könnten.
Kritisiert werden Offshore-Finanzplätze vor allem als Steueroasen, die in
Kombination mit ihrem rigiden Bankgeheimnis die Steuerhinterziehung in
anderen Ländern begünstigen. Die NGO Tax Justice Network schätzt die durch
Offshore-Finanzplätze verlorenen Steuereinnahmen auf weltweit etwa 255 Mrd.
$ pro Jahr. Die Steuereinnahmen, die den USA auf diese Weise verloren gehen,
werden auf etwa 70 Mrd. $ geschätzt.
Problematisch ist die fehlende Transparenz aber auch im Zusammenhang mit
Geldwäscheaktivitäten, die hierdurch gefördert werden. Jährlich werden nach
einer Schätzung des IWF weltweit zwischen 2 und 5 % des BSP gewaschen. 
Zusätzlich sind die Finanzplätze aufgrund ihrer schlechten Finanzaufsicht in
der Kritik, da sie nach Meinung vieler Experten die Stabilität des Finanzmarktes
gefährden. Als bekannte Beispiele können hier die Pleiten der Meridian Inter-
national Bank im Jahr 1995 oder der Zusammenbruch der Bank of Credit and
Commerce International (BCCI) gelten. Auch wird Offshore-Finanzplätzen eine
wichtige Rolle in der Entstehung der verschiedenen Währungskrisen der 90er
Jahre zugeschrieben.
Auch in anderen Skandalen wie beispielsweise den Krisen von Parmalat, Tyco
oder Enron spielten Offshore-Finanzplätze, von denen aus Bilanzen manipuliert
wurden, eine Rolle.
Staatliche Initiativen
Als Reaktion auf die verschiedenen Probleme von Offshore-Finanzplätzen
wurden durch die OECD Ende der 90er drei Initiativen ins Leben gerufen:
-
das Financial Stability Forum (FSF), das sich vor allem mit den Gefahren
der Finanzplätze für die Stabilität des Weltfinanzsystems
auseinandersetzt
-
die Financial Action Task Force (FATF), die versucht, Geldwäsche in den
Standorten zu unterbinden (seit 2001 auch zunehmend die Finanzierung
von terroristischen Organisationen)
-
die harmful tax initiative, die sich mit den negativen Folgen der
Steuerflucht und Möglichkeiten der Kooperation zwischen
Industriestaaten und Offshore-Finanzplätzen beschäftigt.
Das Financial Stability Forum hat in einem Bericht aus dem Jahr 2000 42
Offshore-Finanzplätze in drei Kategorien unterschieden:
-
I.: Plätze, die relativ zu ihrer Größe eine gute Infrastruktur und eine
solide Gesetzgebung haben sowie relativ gut mit internationalen
Institutionen zusammenarbeiten. Hierzu zählten:
Hongkong, die Schweiz, Singapur und Luxemburg. Zumindest in die Nähe
dieser Standards kommen allerdings auch Guernsey, Isle of Man, Jersey und
die Republik Irland.
-
II.: Zwar ist das Niveau der gesetzlichen Regelungen dieser Kategorie
höher als in der dritten Gruppe, sie werden allerdings trotzdem als
problematischer charakterisiert als die Länder der ersten Gruppe. Zu
diesen Ländern zählen:
Andorra, Bahrain, Barbados, Bermuda, Gibraltar, Labuan (Malaysia), Macau,
Malta und Monaco.
-
III.: Die Infrastruktur, die gesetzlichen Regelungen und die
Zusammenarbeit mit internationalen Institutionen ist in dieser Gruppe
am geringsten ausgeprägt. Zu dieser Gruppe gehören:
Anguilla, Antigua und Barbuda, Aruba, Belize, Britische Jungferninseln,
Kaimaninseln, Cookinseln, Costa Rica, Republik Zypern, Libanon,
Liechtenstein, Marshallinseln, Mauritius, Nauru, die Niederländische Antillen,
Niue, Panama, St. Kitts und Nevis, St. Lucia, St. Vincent und die Grenadinen,
Samoa, die Seychellen, die Bahamas, die Turks- und Caicosinseln und
Vanuatu.
Auch die FATF veröffentlichte eine Liste von Ländern, die aus Perspektive der
Organisation nicht kooperativ im Bereich des Kampfes gegen Geldwäsche
waren. Insgesamt wurden 23 Länder als problematisch identifiziert:
Bahamas, Cayman Islands, Cookinseln, Dominica, Israel, Libanon, Liechten-
stein, Marshallinseln, Nauru, Niue, Panama, Philippinen, Russland, St. Kitts
und Nevis, St. Vincent und die Grenadinen, Ägypten, Guatemala, Ungarn,
Indonesien, Myanmar, Nigeria, Grenada und die Ukraine (blaue Schrift: Länder,
die nicht in der Liste des FSF vorkommen).
Auf diesen Listen genannte Länder wurden besonderen Regelungen unter-
worfen. Häufig waren zum Beispiel Geschäfte mit Banken in OECD-Ländern
nicht mehr erlaubt. Die Listen werden heute als Erfolg gesehen: das FSF zog
seine Liste im Jahr 2005 zurück; die FATF entfernte am 13. Oktober 2006
Myanmar als letztes Land von seiner Liste.
Die Offshore Zentren reagierten auf die neue Politik allerdings nicht nur mit
besseren Regulierungen. Einige Länder sahen die Kosten für die Anpassung
ihrer Systeme als zu hoch an und zogen sich aus dem Geschäft des Offshore-
Banking zurück. Dies waren Nauru, Tonga und Niue. Andere Länder erlitten
nennenswerte Verluste durch die Einführung neuer Regulierungsmecha-
nismen. Nachdem Vanuatu Banken verpflichtet hatte, mindestens einen
Vollzeitarbeitsplatz anzubieten, sank die Zahl der Banken von 35 auf 7.
Nichtstaatliche Initiativen
Neben Versuchen von staatlicher Seite gibt es auch von Seiten verschiedener
NGOs Initiativen mit dem Ziel, Offshore-Standorte effektiver zu regulieren. Zu
nennen ist hier insbesondere das Tax Justice Network, das sich ausschließlich
mit Steuerflucht beschäftigt.
Auch Oxfam engagiert sich im Bereich Steuerflucht. In Deutschland prominent
ist Attac. Auch hier steht die Beschäftigung mit Steuerflucht im Mittelpunkt.
Im sogenannten Offshore-Leaks berichteten im April 2013 international Medien
von einem Datensatz mit 130.000 Namen von Personen, die ihr Vermögen in
Steueroasen angelegt haben sollen.
Quelle: Wikipedia, die freie Enzyklopädie
             (http://de.wikipedia.org/wiki/Offshore-Finanzplatz)