Alexandra von Teuffenbach beschreibt das Leben im Priesterseminar von
Bergamo folgendermaßen:
“Ein Blick aus unserer Zeit heraus in das kleine Seminar von Bergamo
vor der Jahrhundertwende ist erschreckend: große Schlafsäle ohne Heiz-
ung, so dass die Kinder im Winter in ihrer Kleidung schlafen mussten.
Neben jedem Metallbett ein einziger Kleiderhaken und ein Metallhocker
auf dem Boden. Große Schränke, in dem jeder nur ein Fach hatte.
Schließlich gab es weder elektrischen Strom noch Duschen. Manch ein
Biograph wundert sich darüber, dass sich der 11jährige Angelo Roncalli
nicht beschwerte. Doch fand er, wie wahrscheinlich einige andere der
500 Jungen im Seminar, hier nur den Lebensstandard wieder, den er von
zu Hause gewohnt war. Vielleicht fand der kleine Angelo sogar noch
bessere Verhältnisse vor: besseres Essen, ein wirkliches Bett und Ruhe
zum Studium.
Der Tag war durchstrukturiert. Große Freiräume hatten die Jungen nicht,
auch nicht für Sport, denn der Hof war eng, und Bewegung schien nicht
für nötig gehalten worden zu sein.
Für den zukünftigen Papst war das Ambiente geeignet. Er machte
Fortschritte in der Schule und gehörte nach dem zweiten Jahr im Seminar
zu den Besten.”