Pionierarbeit hat hier der amerikanische Psychiater und Therapeut Corydan
Hammond geleistet.
Er berichtete erstmals 1992 in einem Vortrag, was ihm einige seiner multiplen
PatientInnen berichteten: gezielte, extrem differenzierte Programmierungen auf
mehreren Ebenen von Persönlichkeitssystemen (= Teilpersönlichkeiten), abruf-
bare Innenpersönlichkeiten, die auf identische Stichworte schlagartig immer
wieder dieselben Reaktionen, Gefühle, Handlungsabläufe produzierten.
Die Reaktionen glichen sich auf unheimliche Weise, obwohl die PatientInnen
einander nie begegnet waren.
Hammond entdeckte Selbstverletzungsprogamme, Selbstmordprogramme,
Tötungsprogramme, Programme, die das Bedürfnis auslösen, sofort wieder mit
dem Kult in Verbindung zu treten oder den Therapeuten zu verletzen, Schwei-
geprogramme, Therapie-Störprogramme und vieles mehr.
Zum Beispiel könnte bei Kontakt mit Polizisten ein Selbstmordprogramm
ausgelöst werden, das bewirkt, dass sich der/die Betroffene plötzlich schlecht
fühlt und den inneren Drang verspürt, sich umzubringen. Auch Zweifel- und
Leugnungsprogramme sind sehr nützlich, wenn zum Beispiel bei einer Ge-
richtsverhandlung, bei der es um die Anklage des sexuellen Missbrauchs geht,
das Kind plötzlich alles abstreitet und sagt: “Das habe ich alles gelogen. Mein
Vater war doch immer nur lieb zu mir.” Dieser scheinbare Meinungswechsel
zählt dann oft mehr als all die früheren Aussagen, als Aussagen von Sozial-
arbeitern, Ärzten oder Gutachtern ...
Die Therapeutin Michaela Huber schätzt, dass ein Drittel der MPS-Patientinnen
Kult-Überlebende sind und Programmierungen tragen, die sich in der Syste-
matik ähneln. Und sie weist auch darauf hin, dass auch ein Vater, der seiner
Tochter immer wieder Gewalt antut und ihr dabei ein Schweigegebot ins Ohr
flüstert und sie bedroht, in gewisser Weise eine Programmierung vornimmt: “Es
entsteht ein Automatismus der Verdrängung, des Schweigens, der reflexhaften
Verhaltensweisen und Gefühle, die durchaus als “Programmierung”, in jedem
Fall aber als “Terrorisierung”, bezeichnet werden könnte.”
Programmierungen sind Konditionierungen, antrainierte Handlungsabläufe,
umfangreicher als der Pawlow’sche Reflex, aber auf demselben System von
Strafe und Belohnung basierend. Sie werden zwanghaft am Bewußtsein vorbei
ausgeführt. Sie sollen funktionieren wie ein Reflex.
Erzeugt werden diese Programmierung von den Tätern meist mittels extremer
Angst und starken Schmerzen, die oft durch regelrechte Folterungen erzeugt
werden. Dabei wird der starke Schmerz an bestimmte Forderungen gekoppelt.
Das wird so lange ausgeübt, bis das Opfer die gewünschten Gedanken, Gefühle
und Verhaltensweisen äußert.
Das Programm wird “gesetzt”, während das Opfer “dissoziiert” (= sich auf-
spaltet, das heißt es entsteht wegen unerträglichen Schmerzen eine neue
Teilpersönlichkeit). An diese wird dann das Programm mit Auslösereizen
gekoppelt, die häufig so banal sind, dass sie leicht und unauffällig im Alltag
untergebracht werden können: bestimmte Handlungsbewegungen, eine Rose,
eine Zahl, griechische Buchstaben, ein Musikstück etc.
Corydan Hammond hat über die gezielte Programmierung/Aufspaltung der
Seele folgendes herausgefunden: “Sie beginnen, wenn das Kind etwa zwei-
einhalb ist (...) Sie machen das Kind nicht nur durch sexuellen Missbrauch
multipel, sonden auch, indem sie eine Mausefalle an seinen Fingern anbringen
und die Eltern anweisen, das Zimmer erst wieder zu betreten, wenn das Kind
aufgehört hat zu weinen.  Zu Hochform laufen sie im Alter von sechs oder
sechseinhalb Jahren auf, machen während der Pubertät weiter und setzen bei
Erwachsenen mit periodischen Verstärkungen fort.”
Das Kind wird nackt festgeschnallt, erhält eine Spritze, am Kopf werden
Elektroden befestigt, um Enzephalogramme zu erstellen, pulsierendes Licht
wird eingesetzt, um bestimmte Gehirnstrom-Muster zu erzeugen. Dann beginnt
die Programmierung, zum Beispiel eine, die auf Selbstzerstörung oder Erniedri-
gung der Person gerichtet ist. Hammond nimmt an, dass die Täter die Verfahren
so weit verfeinert haben, dass sie Dosierung der Drogen und Zeitdauer präzise
wissen.
    
Quelle: Ulla Fröhling, “Vater unser in der Hölle”, 2015, mvg Verlag