Die „Runden Tische“ in Europa
Jürgen Roth nennt in seinem Enthüllungsbuch unter anderem den European
Round Table of Industrialists, den European Financial Services Round Table
und den Entrepreneurs‘ Roundtable mit Sitz in Zürich.
Was hat es mit diesen „runden Tischen“ auf sich? Roth beschreibt als
Beispiel den hoch geheimen Entrepreneurs“ Roundtable:
„Das ist ein ebenso exklusiver wie verschwiegener Männerbund (Frauen sind
nicht zugelassen), und für eine Mitgliedschaft müssen die Unternehmer oder
Banker einen jährlichen Gesamtumsatz von mindestens 500 Millionen Euro
vorweisen. Kurioserweise muss man sich dort duzen und darf bei den Treffen
keine Krawatte tragen. Der Kodex: absolute Verschwiegenheit darüber, wer
dazugehört und was sich bei den Treffen abspielt.
Dieser Enterpreneurs‘ Roundtable sei „mächtiger als viele Politiker“, berich-
tet ein Insider, der sich (...) eine Verschwiegenheitsvereinbarung unterschrei-
ben ließ, bevor er aus dem Nähkästchen plauderte. „Es darf niemand erfahr-
en, wer ich bin, und es darf keine Hinweise auf mich geben.“ Ansonsten sei
eine Strafzahlung von 50.000 Euro fällig.
Nicht dass er Angst habe, aber seine erfolgreiche Karriere wäre dann wohl
am Ende. Er weiß, wovon er spricht, unterhält er doch enge persönliche
Kontakte zu den Mitgliedern in Deutschland wie in der Schweiz. „Mitglieder
sind die Spitzen der Wirtschaft, Banken und Medien, davon etwa die Hälfte
Vorstandsvorsitzende, Konzernleitungsmitglieder und Verwaltungsräte
börsennotierter nationaler wie internationaler Konzerne. Sie sind unan-
tastbar, haben einen Freibrief“, weiß der Insider zu berichten. In der
deutschen Presse findet man über den Entrepreneurs‘ Roundtable kein
einziges Wort. (S.12ff.)
Denn die „Putschisten“ gegen den demokratischen Sozialstaat legen – das
sieht man schon bei den Bilderberg-Treffen – auf Geheimhaltung großen
Wert. Gemäß Jürgen Roth organisieren sie sich in Eliteklubs und fühlen sich
als Auserwählte, deren Handeln das Schicksal von Millionen Arbeitnehmern
existentiell bestimmen. „In den verschwiegenen Etablissements werden Inter-
essen abgestimmt, Initiativen koordiniert, Allianzen geschmiedet.
Ihre Bündnisse haben die Möglichkeit, bindende Entscheidungen für alle
Mitglieder durchzusetzen. Auf ihre informellen Strukturen können diese
zurückgreifen, um ihre strategischen Ziele durchzusetzen: die Sicherung und
Vermehrung ihres Vermögens.
Mitglieder von Eliteklubs, für die der Mensch nichts anderes als ein Homo
oeconomicus ist, sind, wie zum Beispiel die Bilderberger, Vorstandschefs be-
deutender Konzerne, einflussreiche Verwaltungs- und Aufsichtsräte, konser-
vative Medienrepräsenanten, vereint mit Akteuren, die im Hintergrund
wirken: Wirtschaftsanwälte, Berater und Investmentbanker. Ein wichtiges
Kriterium für die Aufnahme in solche exklusive Klubs ist ein exzellentes
Netzwerk und der Wille, die genknüpften Verbindungen zu nutzen –
sozusagen eine Loge P2 für das 21. Jahrhundert.
Viele ihrer eigennützigen Forderungen wurden ja bereits umgesetzt, währ-
end der Lebensstandard von Millionen Bürgern in Europa in den letzten
Jahren gesunken ist und ganze Volkswirtschaften zum Stillstand gekommen
sind.
Ein Beispiel für den Einfluss elitärer und nicht transparenter Netzwerke auf
die europäische Politik ist der EU-Kommissionspräsident José Manuel
Barroso. Nach der Finanzkrise 2008 bestellte er acht sogenannte EU-Weise
als Finanzmarktaufsicht. Vier dieser Auserwählten waren mit genau den US-
Banken verbunden, die die Krise verursachten, und die anderen vier waren
bekannt als wichtige Repräsentanten des Neoliberlismus.
Das verdeutlicht die Machtverhältnisse in Europa. Und das führt zu einem
besonderen Eliteklub, dessen Mitglieder in der Schweiz wie in Deutschland
die neoliberalen Herolde und direkt oder indirekt Stützen der Putschisten
sind“ - nämlich dem schon genannten Entrepreneurs‘ Roundtable (S.56ff.)
Jürgen Roth schreibt weiter: „Dieser Eliteklub hat seinen Sitz unter anderem
am diskreten Finanzplatz Zürich, einem der Orte, wo Steuervergehen als
Kavaliersdelikte gelten, wo in den Tresoren das Kapital der Despoten und
Kleptokraten aller Herren Länder sicher lagert und wo es von speziellen
Anwälten verwaltet wird. Das ist natürlich genau der richtige Ort für solch
eine illustre Society.
Zürich, Genf, Zug – das sind die Gebiete, in denen auch die Gelder jener
internationalen Konzerne gehütet und frei von hoher Steuerbelastung ver-
waltet werden, die für Korruption, Kinder- und Sklavenarbeit, Tagelöhner-
ausbeutung und unmenschliche Arbeitsbedingungen verantwortlich sind. Die
netten Schweizer Banken und Anwaltskanzleien haben natürlich ein reines
Gewissen – wenn sie überhaupt eines haben.
Und darum werden Hunderte Menschen, die in Zürich auf dem Paradeplatz
gegen das Finanzsystem demonstrierten, tunlichst nicht zur Kenntnis genom-
men.
Am 3. November 2011 betraten einige Kapitalismusgegner ohne Hosen die
UBS-Bank, um so zu zeigen, dass die Banken den Menschen das letzte Hemd
und Geld rauben. Die, denen der Protest galt, haben darüber geschmunzelt.
Dabei waren es die UBS-Manager, die Milliarden Euro in den Sand setzten
oder Schwarzgelder versteckten. Wie sagte doch der damalige UBS-Chef
Sergio Ermotti am 16. Oktober 2011 in einem Interview mit der Schweizer
Zeitung „SonntagsBlick“: „Die Schweiz ist reich geworden durch Schwarz-
geld. Wenn wir überall einen einen Schwarzen Peter verteilen würden, wo
unversteuertes Geld drin ist, wäre die ganze Bahnhofstraße voll von Schwar-
zen Petern.“
Diese Aussage bedeutet nun aber nicht, dass hier ein ungewöhnlich kritischer
Banker eine Zeitenwende einläutet. Denn seine Kernaussage lautet: „Ja, die
Banken haben Fehler gemacht. Dass es Europa heute schlecht geht, ist aber
nicht Schuld der Banken. Die Länder haben einfach über ihre Verhältnisse
gelebt und sich einen Wohlfahrtsstaat geleistet, der nicht mehr bezahlbar
ist.“ Und was gilt es für ihn und seinesgleichen endlich durchzusetzen? Den
Abbau des Wohlfahrtsstaates.“ (S.58ff.)
Diese - unwahre und ob ihrer Dreistigkeit empörende - Aussage verwundert
den „Insider“ nicht, denn der „Abbau des Wohlfahrtsstaates“ ist ja schließ-
lich das erklärte Ziel der „Putschisten“ ….
Jürgen Roth zeigt am Beispiel von Pascal Forster, welche Interessen der Klub
verfolgt. Pascal Forster ist Geschäftsführer der Kienbaum Schweiz AG, einer
internationalen Unternehmensberatung, und soll unter anderem die weitere
Globalisierung der Kienbaum-Gruppe vorantreiben: „Wenn deren Berater in
Unternehmen und Institutionen tätig werden, gehören zu ihren klassischen
Methoden Ausgabenkürzungen, wobei es sich in der Beratersprache ein-
gebürgert hat, von „prüfen“ statt von „kürzen“ zu sprechen: In Bezug auf
Kommunen empfehlen sie beispielsweise, die 24-Stunden-Einsatzbereitschaft
der Feuerwehr, die Kinder- und Jugendförderung oder die Wirtschaftlich-
keit der Bibliothek zu prüfen.
Vielfach schlägt Kienbaum aber auch ohne eine solche „Prüfung“ sozialen
Kahlschlag vor: „Die Vereinsförderung soll um 50 Prozent reduziert, die
rechtliche Betreuung eingeschränkt, die Budgets von Seniorenberatung,
Behindertenbetreuung und Integrationsmaßnahmen gedeckelt, die Renten-
beratung eingestellt, die Zuschüsse für Hilfen in persönlichen Notlagen re-
duziert und die kostenlosen Fahrpläne für den Nahverkehr eingestellt
werden.
Im Musterkoffer sind auch Vorschläge enthalten, wie die Einnahmen ge-
steigert werden können: Erhöhung der Hundesteuer, Anpassung der Kita-
Gebühren, Verkauf des Stadtforstes, Verkauf eines Bürgertreffs.
Das heißt also: Der Haushalt wäre „saniert“, die Infrastruktur weiter
verschlissen, das kommunale Leben verarmt, die Bürger geschröpft, die
Demokratie weiter ausgehöhlt. Ihre Art der „Sanierung“ ist in Wirklichkeit
ein zeitlich unbegrenzter Verarmungsprozess nach dem Motto: Haushalt
saniert – Kommune tot.“ (S.73ff.)
Quelle: Jürgen Roth, “Der stille Putsch”, Taschenbuchaus-
gabe 6/2016, Wilhelm Heyne Verlag, München