Nachdem nach ca. 2 Monaten die Wunden verheilt waren, gab es zum Abschluss
noch einmal eine große Zeremonie, bei der die jungen Männer Geschenke erhielten
und Reden gehalten wurden:
„Am Ende unserer Absonderung wurden die Hütten samt allem Inhalt rituell
verbrannt, die letzten Bindeglieder zu unserer Kindheit somit vernichtet. Wieder gab
es eine große Zeremonie, um uns als Männer in der Gesellschaft willkommen zu
heißen. Unsere Familien, Freunde und lokale Häuptlinge waren anwesend; Reden
wurden gehalten, Lieder gesungen, Geschenke gemacht. Ich erhielt zwei junge Kühe
und vier Schafe, und ich fühlte mich reicher denn je zuvor. Ich, dem nie etwas gehört
hatte, besaß plötzlich etwas. Es war ein berauschendes Gefühl, auch wenn sich meine
Geschenke recht bescheiden ausnahmen im Vergleich zu denen von Justice, der eine
ganze Herde bekommen hatte. Ich war nicht neidisch darauf. Er war der Sohn eines
Königs; ich war nur dazu bestimmt, Ratgeber eines Königs zu werden. Ich fühlte
mich stark und stolz. Ich erinnere mich, dass ich an jenem Tag aufrechter, fester, ja
größer dahinschritt. Ich war voller Hoffnung und dachte, dass ich eines Tages
irgendwann in der Zukunft Reichtum, Eigentum und Rang haben würde.
Dann sprach der Hauptredner des Tages zu uns, Häuptling Meligqili, der Sohn von
Dalindyebo, und meine bunten Träume verdüsterten sich plötzlich. Er begann
konventionell, indem er bemerkte, was für ein glorreicher Tag es sei und wie schön,
dass wir eine Tradition fortsetzten, die seit Menschengedenken bestanden habe.
Dann wendete er sich uns zu und wurde ernst.
„Dort sitzen unsere Söhne, jung, gesund und stattlich, die Blüte des Xhosa-Stammes,
der Stolz unserer Nation. Wir haben sie gerade beschnitten in einem Ritual, das
Mannbarkeit verheißt, aber ich bin hier, um euch zu sagen, dass das eine leere,
illusorische Verheißung ist, ein Versprechen, das niemals erfüllt werden kann. Denn
wir Xhosas und alle schwarzen Südafrikaner sind ein besiegtes Volk. Wir sind
Sklaven in unserem eigenen Land. Wir sind Pächter auf unserer eigenen Erde. Wir
haben keine Kraft, keine Macht, keine Kontrolle über unser eigenes Geschick im
Land unserer Geburt. Für den Rest ihres Lebens werden sich diese jungen Männer
die Lunge raushusten tief in den Eingeweiden der Minen des weißen Mannes, ihre
Gesundheit zerstörend, niemals die Sonne sehend, damit der weiße Mann ein Leben
in einzigartigem Wohlstand führen kann. Sie werden in große Städte ziehen, wo sie
in Verschlägen hausen und billigen Alkohol trinken werden, und all dies, weil wir
kein Land haben, das wir ihnen geben könnten, damit sie darauf gedeihen und sich
vermehren. Unter diesen jungen Männern sind Häuptlinge, die niemals herrschen
werden, weil wir nicht die Macht haben, uns selbst zu regieren; Soldaten, die niemals
kämpfen werden, weil es für uns nichts zu bekämpfen gibt, und auch keine Waffen,
um zu kämpfen; Gelehrte, die niemals lehren werden, weil wir für sie keinen Paltz
zum Studieren haben. Die Fähigkeiten, die Intelligenz, die Verheißung dieser jungen
Männer werden vergeudet werden bei dem Versuch, mühselig die Existenz
herauszuschinden, indem sie für den weißen Mann die geistlosesten Arbeiten
verrichten. Die Gaben von heute sind nichtig, denn wir können ihnen nicht die
größte aller Gaben geben, Freiheit und Unabhängigkeit. Ich weiß wohl, das Qamata
(Gott) allsehend ist und niemals schläft, doch habe ich den Verdacht, das Qamata
womöglich döst. Sollte das der Fall sein, so meine ich, je eher ich sterbe, desto
besser, weil ich ihn dann treffen kann, um ihn wachzurütteln und ihm zu sagen, dass
die Kinder von Ngubengcuka, die Blüte de Xhosa-Nation, dahinsterben.“
Die Zuhörer waren, während Häuptling Meligqili sprach, immer stiller geworden
und auch, glaube ich, immer ärgerlicher. Niemand wollte die Worte hören, die er an
jenem Tag sprach. Ich weiß, dass ich selbst sie nicht hören wollte. Ich war eher
verstimmt als wachgerüttelt durch die Worte des Häuptlings. Ich bekenne, dass ich
seine Rede abtat als beleidigende Bemerkungen eines unwissenden Mannes, der
nicht fähig war, die Werte zu würdigen, die der weiße Mann in unser Land gebracht
hatte, Bildung und andere Wohltaten. Zu dieser Zeit sah ich den weißen Mann nicht
als Unterdrücker, sondern als Wohltäter, und ich fand, dass der Häuptling
unglaublich undankbar war. Dieser anmaßende Mann verdarb mir mit seinen
unangebrachten Bemerkungen den Tag, das wunderbare Gefühl des Stolzes.
Aber bald schon, ohne dass ich genau begriff warum, begannen seine Worte in mir zu
wirken. Er hatte einen Samen gesät, und wenn ich diesen Samen lange auch
gleichsam brachliegen ließ, so begann er schließlich doch zu wachsen. Schließlich
begriff ich, dass der unwissende Mann an jenem Tag nicht der Häuptling gewesen
war, sondern ich selbst.“