Jürgen Roth beschreibt in seinem Enthüllungsbuch, wie die griechische
„Elite“ von der der sogenannten Schuldenkrise profitiert:
„Am 21. Juli 2013, drei Tage nach Schäubles Stippvisite in Athen, versam-
melte sich die griechische Clique der Vermögenden. Und zwar standesgemäß
auf der Sonneninsel Mykonos am blendend weißen Psarou-Strand im Beach-
club Nammos. Der Klub wirbt damit, das „beste Strandrestaurant Europas“
zu sein. Jedes Jahr trifft sich hier die Elite, die Créme de la Créme: Schau-
spieler, Models, Wirtschaftsmagnaten. Beobachter behaupten, die kriminielle
Créme aus der Wirtschaft sei ebenfalls anwesend, wobei sich manches
einfach überschneidet.
Gesehen wurden im Juli 2013 griechische Künstler, Models, Schauspieler,
Unternehmer und ein Ex-Abgeordneter der PASOK, sowie einige Reeder wie
Thanassis Martinos, einer der  reichsten Männer Griechenlands. Sein Ver-
mögen hat er, ganz legal natürlich, in der Schweiz in Sicherheit  gebracht.
Dort kaufte seine Familie für 110 Millionen Franken zwei Villen im feudalen
Wintersportparadies St.Moritz. Seine Tochter ist Parlamentsabgeordnete der
regierenden ND, was sich sicher nicht störend auf seine Geschäfte auswirkt.
 „Die Umsätze der griechischen Reeder liegen im zweistelligen Milliarden-
bereich, schätzen Steuerexperten. Dafür zahlten sie bislang pro Jahr 14
Millionen Steuern“.
Wenn das alles wäre. Der bekannte Enthüllungsjournalist Harry Karanikas
berichtete (...) auch noch das Folgende: „Einige mächtige Reedereien haben
Verbindungen wie die Mafia. Es gibt natürlich legale Aktivitäten, aber auch
den Öl- oder den Zigarettenschmuggel. Die Korruption war in der Vergan-
genheit größer als bei der Mafia.“ Und er nennt viele Beispiele. „Keiner von
ihnen wurde je strafrechtlich verfolgt.“ Doch ihre Namen zu nennen, klärt er
mich auf, bedeutet, selbst ins Gefängnis zu wandern wegen Beleidigung der
“ehrenwerten Männer.“
Das Treffen der Elite im noblen Beachclub Nammos – zu dem kein „Normal-
sterblicher“ (sprich: der „normale“ Mensch, der sich durch harte Arbeit
Geld vedienen muss) Zutritt hat - beschreibt Jürgen Roth weiter wie folgt:
„Auf fast allen Tischen im Nammos standen gekühltge Champagnerflaschen.
Auf der Getränkekarte war zu lesen: Moet & Chandon Imperial Brut 1.200
Euro; Armand de Brignac Brut Gold (3 Liter) 5.500 Euro; Armand de
Brignac Midas (15 Liter) 120.000 Euro.
Über diese Party, bei der besonders viele Dreiliterflaschen Armand de
Brignac auf den weiß gedeckten Tischen zu sehen waren, empörte sich die
größte griechische Tageszeitung Proto Thema: „Nach vier Jahren Rezession
und sozialem Niedergang gibt es ein gespaltenes Land, ein Teil stirbt und
einer amüsiert sich, ungestört und ungerührt.“
Knapp einen Monat später, am 17. August 2013, zelebrierte die Geldelite am
gleichen Ort mit einem grandiosen Feuerwerk, wie sie die soziale Krise er-
lebt. Der ägyptische Sänger Amr Diab trat auf. Serviert wurden die 15-Liter-
flaschen von jungen Frauen und Männern, die nichts anderes als goldenes
Bodypainting trugen. In dieser lauen Sommernacht, in der sich griechische
und ausländische Milliardäre vergnügten, erzielte der Beachclub einen
Umsatz von über 1,5 Millionen Euro.
Milliarden Euro – Geld der Steuerzahler – wurden seit 2010 in das griech-
ische Bankensystem eingespeist, ohne eine effektive Kontrolle, was mit dem
Geld geschieht. Die Banker werden es schon selbst richten, werden sich die
Troikadelegationen gedacht haben.
Nach Recherchen der Journalisten Stephen Grey und Nikolas Leontopoulos
genehmigte sich beispielsweise Michael Sallas, der Vorstandsvorsitzende der
Piraeus-Bank, einer der größten griechischen Banken, Kredite in Höhe von
über 100 Millionen Euro. Damit wiederum kaufte er sich Anteile an der
Bank, um eine Kontrollmehrheit zu erreichen. Und zwar über Offshore-
firmen, die ihm und seinen beiden Kindern gehören. Sie bezahlten die
Anteile, indem sie sich das Geld bei einer Konkurrenzbank liehen. Jetzt ist
der Banker samt Familie größter Aktienbesitzer der Piraeus-Bank. So geht’s
eben bisweilen in Zeiten der Krise. (…)
In die Schweiz zieht es übrigens viele der griechischen Superreichen, die da-
für superwenig Steuern zahlen – mit Duldung der griechischen Regierung
wohlweislich. Denn die Dankbarkeit der griechischen Oligarchen ist die wich-
tigste Eigenschaft, um an der politischen Macht bleiben zu können. Gemäß
dem Spruch: Wer hat, dem wird gegeben.
Im Zuge der Rekapitalisierung der griechischen Banken aus dem zweiten
Rettungspaket für Griechenland erhielt die EFG Eurobank eine Finanz-
spritze von 4,2 Milliarden Euro. Haupteigentümer des Finanzinstitutes ist
Spiros Latsis, dem ja gute Verbindungen zu EU-Präsident José Manuel
Barroso nachgesagt werden. Die Bank kassierte jedoch nicht nur das Geld
aus dem Rettungsfonds, sondern bereits 31 Milliarden Euro an Krediten von
der  griechischen Zentralbank.
Für die griechischen und deutschen Steuerzahler ist es doch schön zu wissen,
wo ihr Geld landet. Familie Latsis hält 30 Prozent der Anteile an der Hellenic
Petroleum, dem größten Ölförder- und Ölverarbeitungskonglomerat
Griechenlands mit drei Raffinerien und einem Tankstellennetz von 1175
Tankstellen, insgesamt 8000 Tankstationen und 23 Tankanlagen an Flug-
häfen. Weiterhin besitzt Latsis die Charterfluggesellschaft Private Air mit 19
Flugzeugen, weitere sieben sind bestellt. Auch im Immobilienbereich ist
Latsis über die griechische Immobiliengesellschaft Lamda Development aktiv
und Eigentümer von mehr als 200 Wohnungen in der Schweiz. Außerdem
gehört ihm eine Jachtagentur. Sie vermietet die Superjacht „Alexander“ mit
einer 57-köpfigen Mannschaft an vermögende Kunden. Bekannt ist er in
Griechenland aber zugleich wegen seiner vielfältigen Wohltätigkeitsakti-
vitäten.
Die Söhne eines anderen griechischen Reeders, des 1996 verstorbenen
Milliardärs Stavros Niarchos, sind „heute die größtgen Grundbesitzer im
Engadin. Ihnen gehören die Fünf-Sterne-Hotels Kulm in St.Moritz und
Kronenhof in Pontresina sowie Bergbahnen.“ Philip Niarchos besitzt eine
Sammlung von Gemälden von Vincent van Gogh bis Pablo Picasso. Sein
Vermögen wird auf 2 Milliarden US-Dollar geschätzt.
Athanasios E.Drougos, de schon eingangs zitierte Dozent für Verteidigung
und Bekämpfung asymmetrischer Bedrohungen, sagt dazu: „Es ist für
Griechenland tragisch, dass wir verschiedene Familien von Politikern und
reiche Unternehmerfamilien haben, die nur im Interesse ihres eigenen Clans
agieren und damit den Staat belasten.“ Dimitris Trimis, de Präsident der
Athener Journalistengewerkschaft, spricht von einem Dreieck aus politischer
Macht, wirtschaftlicher Macht und den Medienbesitzern, „und niemand
weiß, wer an der Spitze steht“.
Für Alexis Tsipras, den Chef der wichtigsten Oppositionspartei Syriza, gibt
es keine Zweifel: „In Griechenland befindet sich die wahre Macht in den
Händen von Bankern, Mitgliedern des korrupten politischen Systems und
korrupten Massenmedien.“
Deshalb lohnt ein kurzer Blick auf das System dieser politisch-wirtschaft-
lichen Dynastien. Drei Familien beherrschen seit Dekaden die Politik in
Griechenland. Es sind die politischen Dynastien der Familien Papandreou,
Mitsotakis und Karamanlis.
Direkt oder über Verwandtschaftsbeziehungen stellten sie in der Vergangen-
heit alle Premierminister. Sie wiederum sind zugleich auf die eine oder
andere Weise mit der herrrschenden wirtschaftlichen Elite verbunden, und
zwar „freundschaftlich“, wie es de politische Analyst Ioannis Michaletos be-
schreibt.
Diese Unternehmerfamilien wiederum sind direkt oder über Verwandt-
schaftsbeziehungen in die Politik involviert, fast so wie bei der italienischen
Cosa Nostra. Es sind jene Unternehmerdynastien, die indirekt oder direkt ein
Drittel des griechischen Bruttosozialprodukts erwirtschaften und zugleich
alle verstanden, möglichst wenig Steuern zu zahlen. Oder besser gesagt: Die
Mitglieder der politischen Dynastien haben schützend die Hand über ihre
Freunde gehalten.
Dazu gehört die Familie Vardinoyannis, die das Ölgeschäft reich gemacht
hat. Das begann kurz nach dem Militärputsch, als sie eine Lizenz für den
Handel mit Öl erhielten, obwohl sie in diesem Geschäft keine Erfahrungen
hatten. Ihr wichtigster Konzern ist die Avin International Group, die mit einer
Tankerflotte und Büros weltweit im Öltransport aktiv ist. „Der Familie
gehört auch die zweitgrößte Ölraffinerie auf den Balkan, das Unternehmen
Motor Oil. Dann kommen noch eine Bank und eine Fernsehstation dazu“, so
Ioannis Michaletos in einer Studie über die reichsten Griechen.
Oder Spiros Latsis, Mitbesitzer der Eurobank, der wiederum über enge
Beziehungen zum Schweizer und deutschen Establishment verfügt.
Familie Kostopoulos hingegen ist mit dem französischen Establishment
verbunden und Besitzer der Alpha-Bank.
Nicht zu vergessen die Familie Angelopoulos. Der Milliardär Theodoros
Angelopoulos ist Reeder, investiert in Ölplattformen und hält Anteile an der
Schweizer UBS. Er lebt überwiegend in der Schweiz, und zwar in Gstaad.
Das Vermögen der Familie wird auf knapp eine Milliarde Euro geschätzt.
Seine Ehefrau Gianna Angelopoulos-Daskalaki war für ein Jahr Parlaments-
abgeordnete der ND, der Neuen Demokratie, heiratete den Schiffsmagnaten
1990, wurde Präsidentin des griechischen Olympischen Organisations-
komitees, verantwortlich für die Olympischen Sommerspiele in Athen 2004.
„Offiziell hat die Olmpiade 2004 den griechischen Staat knapp über 11 Milli-
arden Euro gekostet. Mittlerweile geben Schätzungen den tatsächlichen Preis
der Olympiade mit 20 bis 30 Milliarden Euro an. Die Maximalschätzung der
tatsächlichen Kosten entspricht mehr als 15 Prozent des damaligen
Bruttoinlandsrpoduktes.
In den Medien wurde Gianna Angelopoulos-Daskalaki  schon einmal als
künftige Ministerpräsidentin ins Spiel gebracht. Sie hat ein Buch geschrie-
ben, „Mein griechisches Drama“, mit dem sie in den USA auf Werbetour
ging. „In Griechenland hat sie nicht nur Freunde. Der exaltierten Frau wird
immer wieder vorgeworfen, viel Show in eigener Sache und wenig für das
Land zu tun. Zudem  wird ihr von der Boulevardpresse vorgehalten, sie
beziehe trotz Milliarden in Griechenland als Ex-Parlamentarierin noch
immer eine staatliche Rente.“ So gesehen ist sie eher ein Symbol für die
griechische Tragödie. (S.165ff.)
Quelle: Jürgen Roth, “Der stille Putsch”, Taschenbuchaus-
       gabe 6/2016, Wilhelm Heyne Verlag, München