“Lembede erklärte, Afrika sei der Kontinent des schwarzen Mannes, und es sei an
den Afrikanern, sich zu behaupten und zurückzufordern, was rechtmäßig ihr
Eigentum war. Er hasste den Gedanken des schwarzen Minderwertigkeitskomplexes
und geißelte das, was er die Anbetung und Vergötzung westlicher Menschen und
Ideen nannte.
Der Minderwertigkeitskomplex, betonte er, sei das größte Hindernis der Befreiung.
Er betonte, der Afrikaner könne, wann immer er die Gelegenheit erhielt, sich im
gleichen Maße entwickeln wie der weiße Mann.  Als Beispiele nannte er afrikanische
Heroen wie Marcus Garvey, W.E.B.Du Bois und Haile Selassie. „Die Farbe meiner
Haut ist schön“, sagte er, „wie die schwarze Erde von Mutter Afrika.“ Er glaubte,
Schwarze müssten zuvor ihr Selbstbild  verbessern, ehe sie eine erfolgreiche
Massenaktion in die Wege leiten könnten. (….)
Lembede erklärte, unter den Menschen rege sich ein neuer Geist, ethnische
Differenzen schwänden dahin, junge Männer und Frauen betrachteten sich
zuvorderst und vor allem als Afrikaner und nicht als Xhosas, Ndebeles oder Tswanas.
(….)
Die Geschichte der modernen Zeit ist die Geschichte des Nationalismus. Erprobt
wurde der Nationalismus im Kampf der Völker und im Feuer der Schlachten, und er
erwies sich als das einzige Gegenmittel gegen Fremdherrschaft und Imperialismus.
Aus diesem Grund versuchen die großen imperialistischen Mächte mit allem
Nachdruck, nationalistische Tendenzen bei ihren fremdstämmigen Untertanen zu
entmutigen und auszulöschen; zu diesem Zweck werden freizügig riesige
Geldsummen für die Propaganda gegen den Nationalismus ausgegeben, der abgetan
wird als „engstirnig“, „barbarisch“, „unkultiviert“, „teuflisch“ etc. Manche der
fremdstämmigen Untertanen fallen der sinistren Propaganda zum Opfer und werden
folgerichtig zu Werkzeugen oder Instrumenten des Imperialismus. Für ihre
willkommenen Dienste werden sie von der imperialistischen Macht hochgepriesen
und mit Adjektiven überhäuft wie „kultiviert“, „liberal“, „progressiv“, „tolerant“ etc.
Lembedes Ansichten lösten in mir einen Widerhall aus. Auch ich war empfänglich
gewesen für den paternalistischen Kolonialismus der Briten und für die Verlockung,
von den Weißen als „kultiviert“, „progressiv“ und „zivilisiert“ angesehen zu werden.
Ich war bereits auf dem Weg, hineingezogen zu werden in die schwarze Elite, die
Großbritannien in Afrika zu schaffen versuchte. Das hatten alle, vom Regenten bis zu
Mr.Sidelsky, für mich gewollt. Es war jedoch eine Illusion. Genau wie Lembede hielt
ich den militanten afrikanischen Nationalismus für ein Gegengift.“
Quelle:  Nelson Mandela, “Der lange Weg zur Freiheit”, 1997,
                      S.Fischer Verlag, 15. Auflage: Mai 2012, S.137ff.