Quelle: Joachim Bauer, “Prinzip Menschlichkeit - Warum wir von Natur aus
             Kooperieren”, 6.Auflage 2013, Wilhelm Heyne Verlag, S. 67ff..
Manche Menschen können mit Verlusten besser umgehen als andere.  
Warum? Besonders Säuglinge und Kinder neigen in solchen Fällen zu Panik
und biologischen Stress, da sie von sozialer Unterstützung weitaus abhängiger
sind als Ältere. Aber auch manche Erwachsene reagieren außerordentlich
stark, jedenfalls stärker, als andere Menschen dies in einer gleichartigen
Situation tun würden.
Wenn es nicht an der besonderen Schwere des Verlustereignisses liegt, kann
dies dadurch bedingt sein, dass ein in frühen Jahren erlebter Mangel an Bin-
dungen im späteren Leben der Betroffenen zu einem so genannten unsicheren
Bindungsmuster geführt hat, was bedeutet, dass sich auf jedes befürchtete
oder tatsächliche Problem in zwischenmenschlichen Beziehungen eine un-
gewöhnlich heftige neurobiologische Angst- und Stressreaktion einstellt.
Der bereits an früherer Stelle erwähnte kanadische Hirnforscher Michael
Meaney konnte zeigen, dass Neugeborene auf den Entzug von Zuwendung
nicht nur akut mit der Cortison-Stressachse reagieren. Seine Untersuchungen
belegen: Frühe Erfahrungen von mangelnder Fürsorge hinterlassen eine Art
biologischer Fingerabdruck, indem sie das Muster verändern, nach dem Gene
in späterer Zeit auf Umweltreize reagieren.
Diese Beobachtung machen außerdem deutlich: Gene führen – anders, als dies
weithin erzählt und geglaubt wird – kein autistisches Eigenleben, sondern
kommunizieren mit der Außenwelt, auf deren Signale hin sie sich fortlaufend
mit Veränderungen ihrer Aktivität einstellen. Besonders bedeutsam dabei ist,
dass zu den Signalen, die an der Genregulation mitwirken, auch solche zählen,
die sich aus Beziehungen mit anderen Menschen ergeben.