Unfreiwillig in Wien
Jagd nach Edward Snowden zwingt Boliviens Präsident zur
Zwischenlandung - Österreich bestellt US-Botschafter ein
Der gesuchte Ex-US-Geheimdienstler Edward Snowden war nicht im Flugzeug des
bolivianischen Präsidenten - die Sperrung gleich mehrerer Lufträume umsonst. Die
Empörung über die Aktion groß.
NORBERT MAPPES-NIEDIEK
"Bin ich nun entführt?", fragte sich Boliviens Präsident Evo Morales, als seine
Präsidentenmaschine in der Nacht zu Mittwoch auf dem Flughafen in Wien-
Schwechat einen unfreiwilligen Zwischenstopp einlegen musste. Mehrere Länder
hatten ihren Luftraum für das Flugzeug gesperrt, weil das Gerücht die Runde
machte, Morales habe auf seinem Rückflug von einem Staatsbesuch in Moskau den
von den USA gesuchten Ex-Geheimdienstler Edward Snowden im Gepäck. Eigentlich
hätte die Präsidentenmaschine auf Gran Canaria zwischenlanden und auftanken
sollen. Nachdem die Routen nach Westen aber versperrt waren, bat der Pilot in Wien
um Landeerlaubnis.
"Sie sehen, Österreich hat seinen Luftraum nicht gesperrt", verkündete stolz
Innenministerin Johanna Mikl-Leitner. Außenminister Michael Spindelegger hieb in
dieselbe Kerbe: "Es ist selbstverständlich, dass wir einen ausländischen Präsidenten
die Landeerlaubnis gewähren." Er sei "ja kein Verbrecher". Gut 24 Stunden lang
genoss Wien, im Kalten Krieg die Drehscheibe zwischen Ost und West, wieder die
Sympathie einer großmachtkritischen Weltöffentlichkeit.
Aber es war weniger Mut als vielmehr die Unwissenheit der Österreicher, die Morales
zugute kam. "Verhältnismäßig früh" habe das Außenministerium von der Landung
der bolivianischen Dassault Falcon erfahren, sagte sein Sprecher Alexander
Schellenberg der SÜDWEST PRESSE. "Etwa kurz vor Mitternacht." Gelandet war die
Maschine aber schon um 23 Uhr. Auch von dem Gerücht, dass Snowden an Bord sei,
habe man bis dahin nichts gehört. In der Kommunikation zwischen dem Piloten und
dem Tower, die veröffentlicht wurde, ist von Politik mit keinem Wort die Rede. "We
need to land", sagt der Pilot, "because we have no clear indication. Wovon er keine
klaren Hinweise hat, verrät der Pilot nicht, und der Lotse will es auch nicht wissen.
Noch in der Nacht gestattete Morales den Security-Leuten des Flughafens eine
"freiwillige Nachschau", ob Snowden an Bord wäre. Vollstes Vertrauen hatten auch
die Österreicher nicht.
Erst später, als am Vormittag Bundespräsident Heinz Fischer den "Freund
Österreichs" in der VIP-Lounge in Schwechat besuchte, äußerte Morales sich
öffentlich: "Wir nehmen niemanden im Flugzeug mit." Er kenne Snowden nicht und
habe nie mit ihm gesprochen. An Bord habe man überlegt, nach Moskau
zurückzufliegen, sich dann aber anders entschieden, um keinen falschen Verdacht
zu nähren. "Dann hätte es geheißen: Morales hat versucht, Snowden mitzunehmen,
das Unternehmen aber abgebrochen, weil er nicht weiterfliegen konnte." Gegen elf
Uhr konnte Boliviens Präsident endlich seine Heimflug fortsetzen - wobei er
nochmals auf Gran Canaria aus technischen Gründen zwischenlanden musste.
Unklar blieb, ob neben Frankreich, Italien und Portugal auch Spanien die
Überflugrechte verweigert hatte. Bolivianische Vertreter hatten dies zunächst
behauptet, aber Spaniens Außenminister José Manuel García-Margallo sagte, es
habe eine Erlaubnis zu einer Zwischenlandung auf der spanischen Kanaren-Insel
Gran Canaria gegeben.
Bolivien will wegen des Flugverbots bei den Vereinten Nationen eine Klage
einreichen, sagte Boliviens UN-Botschafter Sacha Llorenti in Genf dem
Rundfunksender Patria Nueva.
Im neutralen Österreich ist die Empörung über die USA und die furchtsame Reaktion
der Europäer auf jeden Fall groß. Verstimmung wurde laut über eine barsche
Anforderung aus Washington, Snowden sofort auszuliefern, falls er das Staatsgebiet
beträte. Im Gegenzug berief Außenminister Spindelegger den US-Botschafter ein
und überreichte ihm einen Katalog mit Fragen zu den von Snowden verratenen
Bespitzelungstechniken des US-Geheimdienstes.
So weit, Snowden Asyl zu geben, gehen die Österreicher aber nicht. Ein
entsprechendes Gesuch wurde abgelehnt. "Wir haben da klare Vorschriften", sagte
Innenministerin Mikl-Leitner. Asylanträge könne man eben nur von innerhalb des
Landes stellen, nicht über eine Botschaft - die Standardantwort, die Snowden aus
fast allen europäischen Staaten bekommen hat.
Umgeben von Polizei winkt Boliviens
Präsident Morales in Richtung Kamera. Die
Präsidentenmaschine musste in Österreich
landen, da vermutet worden war, dass der
gesuchte US-Geheimdienstenthüller
Edward Snowden an Bord sei. Foto: dpa
Quelle:  http://www.tagblatt.de/Home/nachrichten/nachrichten-newsticker_artikel,-Jagd-
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