Millî Görüº (häufig auch Milli Görüº geschrieben; deutsch: Nationale Sicht) ist
eine länderübergreifend aktive islamische Bewegung, deren wichtigste Organi-
sationseinheit die türkische Partei Saadet Partisi  und der europäische Dach-
verband Islamische Gemeinschaft Milli Görü sind.
Neben dem Schwerpunkt Europa ist Millî Görüº auch in Nordamerika, Aus-
tralien und Zentralasien aktiv. In vielen Staaten und Ländern ist Millî Görüº
wegen islamistischer Tendenzen umstritten.
Die Innenministerien von Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg sehen in
der Bewegung antisemitische Charakterzüge und unter anderem auch damit eine
deutliche Gegnerschaft zur demokratischen Grundordnung. Prozesse, die Millî
Görüº gegen diese Feststellungen geführt hat, wurden von ihren Anhängern ver-
loren. Das Bundesamt für Verfassungsschutz kommt zu der Überzeugung, dass
Millî Görüº ein antidemokratisches Staatsverständnis zeige sowie westliche
Demokratien ablehne.
Historisch und ideologisch ist Millî Görüº maßgeblich mit dem türkischen
Politiker Necmettin Erbakan verbunden, der 1973 ein Buch mit dem
Titel „Milli Görüº“ veröffentlichte. Der Titel bedeutet „Nationale Sicht“.
Erbakan soll die Begriffe „Milli Görüº“ und „Adil Düzen“ (Gerechte Ordnung) in
die türkisch-islamistische Debatte eingeführt haben, weil in der sich als laizistisch
verstehenden Türkei die Propagierung einer „Islamischen Ordnung“ (Nizam
Islami) Parteiverbot und strafrechtliche Konsequenzen zur Folge haben könnte.
Die von der Milli-Görüº-Bewegung propagierte „Gerechte Ordnung“ soll ein
umfassendes soziales, ökonomisches und politisches Regelungssystem beinhalten,
das auf islamischer Grundlage beruht.
Ideologie
Die Ideologie von Millî Görüº war von Anbeginn vage, so dass der Bewegungs-
gründer Erbakan die zentrale Integrationsfigur war. Bis heute ist Milli Görüº ein
Sammelbecken unterschiedlicher Personengruppen und Ideologien geblieben.
Islam
Die wichtigste ideologische Gemeinsamkeit ist der Bezug zum Islam. Dieser geht
soweit, dass die Ideologie der Bewegung nach Ansicht von vielen Sozialwissen-
schaftlern islamistisch geprägt ist, obwohl sich die IGMG heute von früheren
theokratischen Forderungen verabschiedet hat. Dieses Bild von Millî Görüº prägt
auch die Rezeption in der europäischen Öffentlichkeit: Das niederländische
Magazin Elsevier bezeichnet den Leiter der IGMG Deutschland als „sehr
konservativ“ und „militant“.
Antisemitismus
Eine weitere ideologische Klammer der Bewegung war traditionell
Antisemitismus. Allerdings hat sich die Führung der IGMG mittlerweile öffentlich
von Antisemitismus distanziert und diesen verurteilt, wenngleich Teile der
Bewegung immer noch ein antisemitisches und antifreimaurerisches Weltbild
befördern.
Aktionsformen
Politik
In der Türkei ist die Milli-Görüº-Bewegung mit der Kleinpartei, der Saadet Partisi,
vertreten. In Europa ist die Milli-Görüº-Bewegung bislang nicht als politische
Partei organisiert.
Moscheevereinen
Bau und Betrieb von Moscheen ist das wichtigste Ziel der europäischen Dia-
sporavereine. Einige Moscheevereine standen in den vergangenen Jahren im
Zentrum der öffentlichen Debatte um Millî Görüº, wie beispielsweise 2004 die
Kreuzberger Mevlana-Moschee.
Bildung
Millî Görüº vergab Stipendien an türkische Studentinnen, die wegen des bis 2010
geltenden Kopftuchverbots an staatlichen türkischen Universitäten im europäi-
schen Ausland studieren wollten.
Organisationsfeld
Die Zahl der Milli-Görüº-Anhänger ist schwer zu schätzen. Mitte der 1990er Jahre
hatte die AMGT etwa 70.000 Mitglieder in der europäischen Diaspora.
Die Struktur der Milli-Görüº-Bewegung ist komplex. Der Grund dafür wird von
manchen Beobachtern darin gesehen, dass die Ideologie Necmettin Erbakans zu
mehreren Parteiverboten (und in der Folge Neugründungen) geführt hat und das
türkische Parteiengesetz Auslandsorganisationen verbietet.
Millî Görüº verfügt über ein duales Organisationsgerüst: In der Türkei sind vor
allem Parteien Organisationsträger, in den Ländern der türkischen Diaspora sind
diverse Vereine die wichtigsten Organisationen der Bewegung, die neben Deutsch-
land vor allem in Frankreich, den Niederlanden und Österreich vertreten sind.
Kleinere Zweigstellen unterhält Milli Görüº in Dänemark, Schweden, Norwegen,
England, Italien, Belgien und in der Schweiz.
Türkei: Parteien
In der Türkei sind die wichtigsten organisatorischen Träger der Milli Görüº von
Anbeginn politische Parteien gewesen. Dies waren die 1970 von Necmettin Erba-
kan gründete Milli Nizam Partisi (MNP), die 1973 gegründete Millî Selamet
Partisi (MSP), die 1987 gegründete Refah Partisi (RP) und die 1997 gegründete
Fazilet Partisi. Aktuell sind die SP und Teile der AKP Trägerorganisationen.
Zumindest die SP unterhält Kontakte zur IGMG.
Diaspora: Vereine
Außerhalb der Türkei bilden zumeist in der IGMG organisierte Moscheevereine
das wichtigste organisatorische Rückgrat der Millî Görüº. Die IGMG betreut nach
eigenen Angaben europaweit 87.000 Mitglieder in 514 Moscheen (Stand: 2005)
und übt damit vor allem in Deutschland einen großen Einfluss auf die dort leben-
den Muslime aus.
Daneben gibt es eine Reihe gruppenspezifischer Organisationen, wie beispiels-
weise Frauen-, Studierenden- und Jugendvereinigungen. Die Immobilien der
IGMG werden durch die Europäische Moscheenbau- und Unterstützungs-
organisation (EMUG) verwaltet.
Deutschland
In Deutschland ist die IGMG mit Sitz in Kerpen die größte Organisation der Millî
Görüº. Sie betreut 8 % der deutschen Moscheen und ist damit neben der Türkisch-
Islamischen Union der Anstalt für Religion der bedeutendste muslimische Verband
in Deutschland.
Die genaue Zahl ihrer Mitglieder ist nicht bekannt: Nach eigenen Angaben hat sie
57.000 Mitglieder; das deutsche Bundesamt für Verfassungsschutz vermutet
dagegen lediglich 27.000 Mitglieder 2007 in Deutschland. Dagegen nimmt eine
empirische Schätzung aus dem Jahr 2000 ca. 80.000 Mitglieder an. Die Zahl der
Gemeindemitglieder wird in Deutschland 2005 auf insgesamt 230.000 geschätzt. 
Im Mai 2011 wurde Kemal Ergün zum Vorsitzenden gewählt. Kommissarischer
Generalsekretär ist seit Ende Februar 2015 Bekir Alta.
In Berlin verfügt die IGMG über eine Reihe personell eng verbundener Organi-
sationen, so zum Beispiel die Islamische Föderation Berlin.
Die IGMG ist größtes Mitglied im Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland,
einem der muslimischen Dachverbände in Deutschland und durch diesen mittelbar
auch Mitglied im Koordinierungsrat der Muslime in Deutschland. Zu Millî Görüº
und dem Islamrat gehören auch die Islamische Föderation Baden-Württemberg, die
Islamische Föderation in Bayern, die Islamische Föderation Niedersachsen und das
Moslemische Sozialwerk in Europa.
Niederlande
In den Niederlanden hatte Milli Görüº 2006 ungefähr 30.000 Anhänger und
betreibt 23 eigene Moscheen; Der niederländische Teil der IGMG soll liberaler
und reformorientierter ausgerichtet sein als die deutschen Schwesterorgani-
sationen. Bekanntester Vertreter von Millî Görüº in den Niederlanden ist der
langjährige Geschäftsführer Haci Karacaer.
Frankreich
Aufgrund der Einwandererstruktur ist Millî Görüº in Frankreich schwächer
vertreten; bei den Wahlen zum Conseil français du culte musulman stellte die
Bewegung nur in Paris und der Auvergne Listenverbindungen mit der algerisch
dominierten Grande Mosquée de Paris auf, die sie dort zwischen 30 % und 50 %
der Stimmen erhielten.
Österreich
In Österreich übernimmt statt der IGMG die Islamische Föderation eine Koordi-
nation der Millî-Görüº-Moscheevereine. Hier soll Millî Görüº mit 30 Ortsvereinen
vertreten sein.
Schweiz
In der Schweiz betreut Millî Görüº vor allem im deutschsprachigen Teil Moscheen.
Massenmedien
Millî Görüº transportiert seine Ideologie über eine Reihe von Massenmedien,
darunter die Tageszeitungen Milli Gazete, Yeni Haraket und Anadoluda Vakit 
sowie den Fernsehsender TV5.
Milli Gazete ist das halboffizielle Sprachrohr der Millî Görüº.
Die inzwischen in Deutschland verbotene Zeitung Anadoluda Vakit stand nach
Informationen des hessischen Verfassungsschutzes der Milli Görüº nahe.
               Rezeption
                   Millî Görüº ist in allen Staaten, in denen sie aktiv ist, außergewöhnlich
                   umstritten: In der Türkei wurde eine Reihe ihrer Parteien verboten, die
                   Verfassungsschutzämter des Bundes und der Länder beobachten die
                   Organisation.         
Neben Kritik an „undurchschaubarer Vereinsverflechtungen“ wird Millî Görüº
folgendes vorgeworfen:
Antidemokratische Tendenzen
Wegen dem Fokus auf den Islam und vermuteter außerinstitutioneller Zielsetz-
ungen wird Millî Görüº vor allem von Deutschland und der Türkei Demokratie-
feindlichkeit vorgeworfen. So dürfen IGMG-Funktionäre gemäß einem Beschluss
des Verwaltungsgerichtshofs Mannheim wegen „Demokratiegefährdung“ nicht
nach Deutschland eingebürgert werden.
Neben dem oben ausgeführten Anti-semitismus werden dabei vor allem Islamis-
mus- und in Deutschland auch Nationalismusvorwürfe als Begründung der Demo-
kratiefeindlichkeit erhoben.
Deutsche Verfassungsschutzorgane werfen Millî Görüº eine „ideologisierte Inter-
pretation“ des Islam vor. Ziel sei es, „die westliche Ordnung zu überwinden und
durch ein islamisches Gemeinwesen zu ersetzen.“
Bei der Generalversammlung der IGMG im April 2001 hätte Erbakan eine Islami-
sierung Europas durch muslimische Einwanderung angedeutet.
Auch nach dem Tod Erbakans 2011 erklärt der neue Führer Mustafa Kamalak:
„Die Millî Görüº-Bewegung wird in Richtung der von unserem Führer festgelegten
Ziele – der Gründung einer neuen großen Türkei und einer Neuen Welt – mit
gleicher Entschlossenheit weitermarschieren.“ (Homepage der SP, 7. März 2011)
Nach Ansicht deutscher Verfassungsschutzbehörden ist Millî Görüº zudem von
einem spezifischen türkischen Nationalismus geprägt.
Wirtschaftliche Verflechtungen
In den 1990er Jahren wurden Millî Görüº Verwicklungen in die „Yimpaº-Affäre
nachgesagt. Mitglieder und Funktionäre von Milli Görüº sollen in Moscheen und
islamischen Vereinen gezielt für so genannte „Islamische Holdings“ geworben
haben. In der Mevlana-Moschee in Berlin wurde offen für den Erwerb von
Gewinnanteilen zweifelhafter islamischer Holdings geworben. Die versickerten
Gelder sollen unter anderem die finanzielle und politische Basis der heutigen
Regierungspartei AKP gebildet haben.
Angebliche Verbindungen zu gewalttätigem Islamismus
Seit März 2009 wurde bekannt, dass die Münchner Staatsanwaltschaft gegen den
deutschen IGMG-Generalsekretär Ücüncü und weitere Funktionäre islamischer
Organisationen wegen des Verdachts auf Bildung einer kriminellen Vereinigung
ermittelte.
Ihnen wurde vorgeworfen, in Deutschland auf illegalem Wege Geld zur Weiter-
leitung an militante islamistische Gruppen wie Hamas gesammelt zu haben. Hierzu
sollten insbesondere Mitgliederbeiträge und Spenden ins Ausland verbracht wor-
den sein. Außerdem sollte der Fiskus über die tatsächlichen finanziellen Verhält-
nisse der Vereinigung getäuscht worden sein. Aber auch die Versichertengemein-
schaft sollte durch vorenthaltene und veruntreute Sozialversicherungsbeiträge ge-
schädigt worden sein. Im Zuge dessen wurden, kurz nach der Volksabstimmung
zum Minarettverbot in der Schweiz, bundesweit mehrere Moscheen und auch die
Zentrale der Vereinigung in Kerpen von Polizei und Zoll durchsucht.
Die Vorwürfe wurden im September 2010 fallen gelassen und Ermittlungen voll-
ständig eingestellt. Der Generalsekretär der IGMG äußerte sich hierzu mit den
Worten: "das Verfahren hatte offenbar einen politischen Hintergrund".
27.2.2017
Quelle: Wikipedia (https://de.wikipedia.org/wiki/Mill%C3%AE_G%C3%B6r%
C3%BC%C5%9F), dort gibt es weitere Quellenangaben, Stand: Febr.2017
Millî Görüº
Erbakan
Von der IGMG betriebene Fatih-
Moschee in Bremen-Gröpelingen
Broschüre des Bayerischen Staatsminis-
terium des Innern über „Islamischen Extre-
mismus“ (mit Millî Görüº als wichtigstem
Zweig dessen) neben Broschüren zu Scien-
tology und der Organisierten Kriminalität
Mevlana-Moschee in
Berlin
Logo der Saadet Partisi
Logo der IGMG
(Islamische Gemein-
schaft Millî Görüº)