Quelle: Nelson Mandela, “Der lange Weg zur Freiheit”, 1997,
               S.Fischer Verlag, 15. Auflage: Mai 2012, S.30 ff.
Bald war ich ein Teil des täglichen Lebens von Mqhekezweni. Ein Kind passt sich
schnell an oder überhaupt nicht – und ich fühlte mich zu dem Großen Platz
hingezogen, als sei ich dort aufgewachsen. Für mich war es ein Wunderreich; alles
erschien freudvoll; Verrichtungen, die in Qunu lästig gewesen waren, wurden in
Mqhekezweni zum Abenteuer. War ich nicht in der Schule, so betätigte ich mich als
Hirte, als Wagenlenker, als Pflüger. Ich ritt auf Pferden, schoß mit Steinschleudern
auf Vögel und wetteiferte mit anderen Jungen, und abends tanzte ich manchmal zu
dem wunderschönen Gesang und dem Händeklatschen von Thembu-Mädchen.
Obschon ich Qunu und meine Mutter vermisste, ging ich schon bald völlig in der
Gemeinde von Mqhekezweni auf.
Ich besuchte eine kleine, einräumige Schule auf dem Hügelkamm und lernte
Englisch, Xhosa, Geschichte und Geographie. Wir lasen Chambers English Reader 
und schrieben auf schwarze Schiefertafeln. Unsere Lehrer, Mr.Fadana und später
Mr.Giqwa, nahmen an mir ein besonderes Interesse. Ich lernte schnell, allerdings
weniger aufgrund meiner Klugheit als meiner Zähigkeit. Meine Selbstdisziplin wurde
bestärkt von meiner Tante Phathiwe, die am Großen Platz, dem Anwesen des
Regenten, wohnte und meine Schularbeiten mit unerbittlicher Strenge überwachte.
(….)
Jeden Tag erledigte ich im Haus des Regenten oder draußen allerlei Pflichten. Zu
den vielen Dingen, die ich für den Regenten tat, gehörte das Bügeln seiner Anzhüge,
meine Liebelingsbeschäftigung, auf die ich sehr stolz war. Er besaß ein halbes
Dutzend westliche Anzhüge, und ich verwandte manche Stunden auf möglichst
präzise Bügelfalten.
Sein Palast, wenn man es so nennen will, bestand aus zwei großen, blechbedeckten
Häusern im westlichen Stil. Damals besaßen nur ganz wenige Afrikaner westliche
Häuser, und sie galten als Kennzeichen großen Reichtums. Außer den beiden
Häusern gab es sechs Rondavels, die in einer Art Halbkreis das Haupthaus
umstanden. Die Häuser hatten Holzfußböden, etwas, das ich bis dahin noch nie
gesehen hatte.
Der Regent und die Königin schliefen in dem Rondavel zur Rechten Hand; die
Schwester der Königin in dem in der Mitte; und die Hütte links diente als Pantry, als
Speisekammer. Unter dem Fußboden in der Hütte der Schwester der Königin befand
sich ein Bienenstock, und manchmal hoben wir Fußbodenbretter heraus und
schlemmten von dem Honig.
Bald nach meiner Ankunft in Mqhekezweni zogen der Regent und seine Frau in das
Uxande (mittlere Haus), das automatisch das Große Haus wurde. In seiner Nähe gab
es drei kleine Rondavels. Eines davon wurde von der Mutter des Königs bewohnt,
das zweite teilten sich Justice und ich, und das dritte war für Besucher reserviert.