Das kam so: Anfang 1961 lud die Katholische Akademie Bensberg das „theologische
Wunderkind“ Ratzinger ein, sich Gedanken über “die Theologie des Konzils“ zu
machen.   Kardinal Frings kam eigens aus Köln angereist, um sich die Ausführungen
anzuhören. Er war davon so beeindruckt, dass er Prof.Dr.Joseph Ratzinger fragte, ob
er ihn, der mittlerweile schon 74 Jahre alt und fast blind war, beim Konzil in Rom als
sein persönlicher Berater beistehen könne.
So kam es, dass der junge Prof.Ratzinger am II.Vatikanischen Konzil teilnahm  -  und
dieses maßgeblich mitbeeinflusste. Denn er schrieb im Vorfeld eine Rede für den
Kardinal (mit dem Thema: „Das Konzil auf dem Hintergrund der Zeitlage im
Unterschied zum Ersten Vatikanischen Konzil“)  -  und diese wurde zum
„theologischen Fanfarenstoß“ für das Konzil , siehe Details …
Dann war der große Tag gekommen. Am 11. Oktober 1962 eröffnete  Papst Johannes
XXIII. Mit einer feierlichen Messe im Petersdom das Zweite Vatikanische Konzil, auf
dem 2800 Bischöfe aus allen Teilen der Welt die Zukunft der Kirche gestalten sollten.
Kardinal Frings war nicht alleine gereist. Ihn begleitete der 35-jährige Joseph
Ratzinger, der jetzt offiziell  zu seinem theologischen Berater geworden war. Es war
dessen erste Erfahrung mit der Weltkirche – und sein große Chance, ihre Zukunft
mitzugestalten. Hier lernte Ratzinger einige der bedeutendsten Theologen seiner Zeit
kennen – Henri de Lubac, Jean Daniélou, Yves Congar, Gerard Philips. An Ende der
ersten Sitzungsperiode wurde er sogar zum offiziellen Konzilstheologen, zum
„Peritus“, ernannt.
Schon im Vorfeld hatte er beklagt, die Kirche habe „zu straffe Zügel, zu viele
Gesetze, von denen viele dazu beigetragen haben, das Jahrhundert des Unglaubens
im Stich zu lassen, anstatt ihm zur Erlösung zu helfen.“  Jetzt war es an der Zeit,
einen Sprung nach vorne zu tun und etwas Neues zu wagen. Der Glaube, so
Ratzinger, müsse „aus diesem Panzer heraus, muss sich eben auch in einer neuen
Sprache, in einer neuen Offenheit der Situation der Gegenwart stellen. So muss auch
in der Kirche eine größere Freiheit entstehen.“ 
Kardinal Frings plante seine Einflussnahme auf das Konzil geradezu general-
stabsmäßig. Auf seine Initiative hin trafen sich alle deutschen und österreichischen
Bischöfe jeden Montag um 17.00 Uhr im Seminar S.Maria delll’Anima nahe der
Piazza Navona, um den Konzilsverlauf und seine Ergebnisse zu besprechen.
Regelmäßig kommentierten qualifizierte Theologen, darunter auch Ratzinger, das
Geschehen und entwickelten Strategien. Frings selbst war einer der angesehensten
Persönlichkeiten der katholischen Welt. Als Mitbegründer des bischöflichen
Hilfswerkes „Misereor“ war er speziell bei den Bischöfen der Dritten Welt sehr
beliebt. So gelang es seinem Kreis, Konzilsgeschichte zu schreiben.  (Georg Ratzinger,
„Mein Bruder der Papst“, Anm.v.Michael Hesemann, S.199 ff.)
Wie ging es mit dem Konzil weiter - das trotz einiger Schwierigkeiten und
Widerstände seitens einiger konservativen Kardinäle bis 1965  weitergeführt wurde  - 
und was hatte es letztendlich bewirkt?
„Schon bald wurde klar, dass das Konzil in Rom nicht nur Freude ausgelöst hatte.
Sprach der Papst vom „aggiornamento“, dem Hineintragen der Kirche in die neue
Zeit, fürchteten konservative Kirchenmänner zu viele Neuerungen. Ihr Wortführer
war Alfredo Kardinal Ottaviani, der Präfekt des Heiligen Offiziums, der
Nachfolgebehörde der berüchtigten römischen Inquisition. Als Vorsitzender der
Theologischen Kommission tat er alles, um Reformen zu verhindern.
Im Juni 1963 erlag Papst Johannes XXIII. Einem Krebsleiden. Das Konzil, das gerade
erst begonnen, schien gescheitert. Doch gegen alle Widerstände führte es der neue
Papst, Paul VI., weiter. Als schließlich bekannt wurde, dass Ottavianis Kommission
eine Abstimmung der Bischöfe für ungültig erklären wollte, „weil die Fragen
unzureichend abgefasst waren“, platzte Frings der Kragen. In der vielleicht
aufsehenerregendsten Rede des ganzen Konzils kritisierte er nicht nur die
Winkelzüge des Präfekten, er griff auch dessen Behörde direkt an und bezeichnete
sie als „Grund des Anstoßes“: Ihre Methode, Menschen zu verurteilen, ohne sie
anzuhören, passe nicht mehr in die heutige Zeit. Zwar giftete Ottaviani zurück,
Frings wisse offensichtlich nichts von der Arbeit des heiligen Offiziums, doch diese
Schlacht hatte er verloren. Die Bischöfe waren auf der Seite des Kölners, ihr tosender
Beifall gab ihm recht.  Noch am selben Tag rief der Papst Frings zu sich, der das
Schlimmste zu befürchten hatte. (…) Doch als er das Audienzzimmer betrat, eilte der
Papst auf ihn zu und umarmte ihn: „Lieber Cardinale, Sie haben all das gesagt, was
ich gedacht habe und sagen wollte, selber aber nicht sagen konnte.“
Als das Konzil 1965 beendet war, gab Paul VI. die Entmachtung des Heiligen
Offiziums bekannt. Es wurde jetzt durch „Kongregation für die Glaubenslehre“
ersetzt und sollte seinen Status absoluter Macht verlieren. Die neue Behörde wandte
erstmals demokratische Prinzipien an. Sie verurteilte nicht, sie sprach Warnungen
aus und lud unbequeme Theologen zum Gespräch ein. Der Vatikan war in der
Moderne angekommen.“  (Georg Ratzinger, „Mein Bruder der Papst“, Anm.v.Michael Hesemann,
S.202 ff.)
Spaziergang mit dem damaligen
Konzilsberater Prof.Dr.Alois
Grillmeier SJ (1994 zum Kardinal
ernannt) in Rom am Abschluss-
tag des II. Vatikanischen Konzils
(8.12.1965)