Er errang uns die Verdienste des Bestehens im äußersten Kampf gänzlicher
Verlassenheit und opferte sein Elend, seine Armut, seine Verlassenheit für uns
elende Sünder auf, so daß der mit Jesus im Leibe der Kirche vereinigte Mensch
nicht mehr verzweifeln darf in der äußersten Stunde, wenn sich alles
verfinstert und alles Licht scheidet und aller Trost. In diese Wüste der inneren
Nacht brauchen wir nicht mehr einsam und gefährdet hinabzusteigen! Jesus hat
in den Abgrund des bitteren Meeres dieser Veralssenheit seine innere und
äußere Verlassenheit am Kreuze hinabgsenkt, und so hat er den Christen in der
Verlassenheit des Todes, in der Verfinsterung allen Trostes nicht mehr einsam
gelassen. Es gibt keine Wüste, keine Einsamkeit, keine Verlassenheit, keine
Verzweiflung in letzter Todesnot mehr für den Christen, denn Jesus, der das
Licht, der Weg und die Wahrheit ist, ist auch diesen finsteren Weg segnend und
alle Schrecken bändigend gewandelt und hat sein Kreuz in dieser Wüste
aufgerichtet.
Jesus, ganz verlassen, ganz arm, ganz hilflos, gab, wie die Liebe tut, sich selbst
hin, ja er machte seine Verlassenheit selbst zu einem reichsten Schatz, denn er
opferte sich und all sein Leben, Arbeiten, Lieben und Leiden und das bittere
Gefühl unseres Undankes seinem himmlischen Vater für unsere Schwachheit
und Armut auf. Er machte vor Gott sein Testament und gab all sein Verdienst
der Kirche und den Sündern. Er gedachte aller, er war in seiner Verlassenheit
bei allen, bis ans Ende der Zeit, und so betete er auch für jene Irrgläubigen,
welche meinen, er habe als Gott sein Leiden nicht gefühlt und habe nicht oder
nur weniger gelitten als ein Mensch, der in solchen Leiden stehen würde. - 
Indem ich aber seines Gebets teilhaftig und mitfühlend wurde, vernahm ich,
als sage er, man solle doch ja lehren, dass er dieses Leiden der Verlassenheit
bitterer, als ein Mensch es vermag, gelitten habe,  weil er ganz mit der Gottheit
vereint, weil er ganz Gott und Mensch war und nun im Gefühl der von Gott
verlassenen Menschheit als Gottmensch das Leiden der Verlassenheit
vollkommen in seinem ganzen Maß fühlend erschöpfte.
Quelle: Anna Katharina Emmerich, „Das bittere Leiden unseres
              Herrn Jesus Christus“, Christiana-Verlag, CH-8260 Stein
               am Rhein/Schweiz, 17. Auflage 1996, S.270ff.