General Sisi
Der starke Mann Ägyptens
Als Ägypten im Chaos zu versinken drohte, rettet er nach Meinung vieler Bürger das
Land: General Sisi gilt vielen Ägyptern als Beschützer der Revolution. Kritiker sehen
das Land unter ihm dagegen zurück auf dem Weg in einen Polizeistaat.
Von Jürgen Stryjak, ARD-Hörfunkstudio Kairo
Der Mann, der in Ägypten den Ton angibt, war bis vor 17 Monaten den meisten
Ägyptern unbekannt. Inzwischen wird er in Liedern gepriesen, Bäcker benennen ihre
neuesten Torten nach ihm - und auf Märkten wird Damenunterwäsche mit seinem
Bildnis verkauft. Auf YouTube können Bauchtänzerinnen bewundert werden, die
ihre Hüften schwingen und dabei ein Foto von ihm in die Kamera halten.
Ein neuer Nationalheld: General Sisi genießt große Popularität im Volk.
General Abdel Fattah Sisi wurde zum Nationalhelden, weil er nach Meinung vieler
das Land gerettet hat. Eine Ägypterin möchte sogar, dass er Präsident wird: "Er ist
kein Normalsterblicher wie wir. Er ist ein Geschenk Gottes, etwas Wunderbares. Wer
ihn sieht, vergisst das Essen und das Trinken. Ich könnte Tag und Nacht dasitzen
und ihn anstarren."
Die Begeisterung kann nur mit der Verzweiflung erklärt werden, die viele Ägypter im
Juni 2013 beherrschte: die Wirtschaft im Sturzflug, blutige Proteste auf den Straßen
und an der Macht die Muslimbruderschaft und ihr Präsident Mohammed Mursi.
Ihre islamistische Agenda machte vielen im Land Angst. In diesem Moment
übernahm Sisi.
Sisi als Beschützer der Revolution
Er versprach, Ägypten zu retten: "Wir werden es nicht zulassen, dass unser Land in
einen dunklen Tunnel interner Konflikte abrutscht, die Glaubensspaltung,
Bürgerkrieg und den Zusammenbruch staatlicher Institutionen zur Folge haben. Ich
hoffe, dass wir alle Ägypten schützen. Das sage ich aus Liebe zu unserem Land."
Mursi hatte Militärgeheimdienstchef Sisi im August 2012 zum Verteidigungsminister
gemacht. Anfang Juli 2013 wurde er von Sisi gestürzt. Seitdem ist der 59-jährige
General für viele Ägypter der Beschützer der Revolution.
Mit der tiefen, beruhigenden Stimme, die so viele im Land geradezu betört,
beschrieb Sisi, wozu er sich berufen fühlt. Ein unveröffentlichter Teil eines
Interviews gelangte kürzlich an die Öffentlichkeit. Darin schildert er dem
Chefredakteur einer Zeitung, dass ihm Präsident Sadat vor 35 Jahren im Traum
erschien: "Sadat sagte, er habe früh geahnt, dass er später Präsident werde. Ich
erwiderte, dass auch ich bereits weiß, dass ich mal Ägyptens Präsident sein werde",
erinnerte sich Sisi. In einem anderen Traum habe er eine Uhr der Marke Omega
getragen. "Sie trägt meinen Namen. Das bedeutete wohl, dass man mich eines Tages
- genau wie die Marke Omega - auf der ganzen Welt kennen wird."
Quelle:  http://www.tagesschau.de/ausland/al-sisi100.html
Heilsbringer oder Bringer des Polizeistaats?
Seit Mursis Sturz ist der General auch eine Anlaufstelle für die internationale
Politik: Außenminister Westerwelle bei einem Besuch im August.
Ob Sisi tatsächlich fürs Präsidentenamt kandidieren wird, hält er bislang offen.
Seine Traumschilderungen kommen bei vielen im Land gut an. Für sie ist der
General ein Heilsbringer, ein Erlöser. Seine Kritiker sind in der Minderheit.
Doch es werden mehr.
Denn mit Sisi kam der Polizeistaat zurück. Die von ihm ernannte Regierung
steckt nicht nur Muslimbrüder ins Gefängnis, sondern inzwischen auch
säkulare Oppositionelle. Das von ihr erlassene, neue Demonstrationsgesetz ist
im Grunde ein Demonstrationsverbot. Die Kritiker behaupten, mit General Sisi
habe die Konterrevolution gesiegt.
Stand: 28.12.2013