“In der Sowjetunion zeichneten kleine Mädchen gern Prinzessinnen in ihre
Schulhefte. Die trugen Schuhe mit hohen Absätzen, hatten riesige blaue
Augen, Puffärmel, Wespentaillen, Reifröcke und goldblondes Haar.
Als das Mächen Julia aus dem “Haus des Taxifahrers” am Kirow-Prospekt
von Dnipropetrowsk groß war, wurde sie selber eine Prinzessin. Jetzt kann sie
sich Kleider, so viel sie will, von jedem französischen Couturier leisten. Die
italienischen Schuhe mit hohen Absätzen kann niemand mehr zählen. Ihre
Kleider entwirft sie selbst. Wenn sie mit der Schneiderin darüber berät,
versieht sie sie mit Puffärmeln. Schließlich färbt sie sich auch noch die Haare
blond.
Der Name “Gasprinzessin” ist nur eine der zahlreichen Erfindungen der
Journalisten. Wenn die Zeitungen über die JeESU-Präsidentin und Abge-
ordnete der Obersten Rada schreiben, dann übertreffen sie sich förmlich beim
Ausdenken kitschiger Namen. Weniger die Hauptstadtpresse als die Provinz-
gazetten nennen Julia Timoschenko in jenen Jahren die “gute Fee”, die
“schaumgeborene Venus”, “Lady Ju” oder einfach “Sie”.
Das Wort “Gas” in Kombination mit “Prinzessin” klingt nicht nach dem
Zischen eines Gasherds oder dem Knistern mit russischem Gas verdienter
Dollarnoten, sondern eher geheimnisvoll wie halb durchsichtige Schals und
Tücher. Am Anfang stand eine Julia Timoschenko gewidmete Modekollek-
tion namens “Gaskönigin”. Aus diesen Seidenfähnchen und dem Bild von der
halbdurchsichtigen blauen Famme wurde der Name geboren. Journalisten,
denen Prinzessin Diana in den Sinn kam, deren Kult bis in die Ukraine
schwappte, machten aus der “Königin” schließlich die “Prinzessin”.
Neu erworbener Ruhm hat stets viele Gesichter und Kontraste. Ein und
dieselbe Person, eine junge Frau namens Julia Timoschenko, wird zugleich
zur Heiligen und zur Verbrecherin erklärt, zum Symbol für Reinheit und
wilde Ausschweifungen, zur Schönheitskönigin und zu einem “Produkt” von
Imageberatern, zur Wohltäterin und zum Ungeheuer.”