Die Anschuldigungen, die Jorge Bergoglio zu Last gelegt werden, betreffen das
Jahr  1976, als Jorge Bergoglio Provinzial des Jesuitenordens in Argentinien war
und somit   auch verantwortlich für die Jesuitenpatres Franz Jalics und Orlando
Yorio. 
Die beiden arbeiteten in den Armenvierteln von Buenos Aires und wurden vom
Militär verdächtigt, dass sie mit der Theologie der Befreiung sympathisierten und
Kontakte zu Terroristen unterhielten. Sie wurden entführt und fünf Monate lang
inhaftiert.
Die Vorwürfe, die Jorge Bergoglio gemacht werden, lauten, dass er die beiden
Jesuiten verraten und denunziert habe. Das war jedoch eine Lüge, die die Militärs
benützten, um die beiden Priester zum Sprechen zu bringen.
Andreas Englisch schreibt dazu folgendes:  „Im Mai 1976 werden die beiden
entführt, verschleppt und fünf Monate lang inhaftiert und gefoltert.  Die Militärs
eröffnen den zwei Patres, dass sie verraten worden seien, dass ihr Chef, Jorge
Mario Bergoglio,  sie persönlich ans Messer geliefert habe. Er habe die Militärs
gebeten, die Patres zu verschleppen, um sie loszuwerden. Diese Lüge soll die
Patres zermürben und dazu veranlassen, mit dem Orden zu brechen und zu
verraten, wo es gar nichts zu verraten  gibt. (…..) Nach ihrer Freilassung verbreiten
die Patres natürlich,  was sie gehört haben: Bergoglio habe sie denunziert.  Sie
wissen nicht, dass es eine Lüge ist und eine Lüge bleiben wird.
 Die juristischen Untersuchungen ergeben keine Anhaltspunkte für diesen
Vorwurf.   Eine der großen moralischen Autoritäten Argentiniens, der Bürger-
rechtler und Friedens-nobelpreisträger  und Künstler Adolfo Pérez Esquivel, sagte
über Bergoglio: „Es hat Bischöfe gegeben, die mit der Militärjunta unter  eine
Decke steckten. Jorge Mario Bergoglio war nicht darunter.“
Der Bildhauer und Architekt Perez Esquivel ist kein Katholik, er war 1977 selbst
inhaftiert und 14 Monate lang gefoltert worden.  Auch die Menschenrechts-
aktivistin Graciela Fernández Meijide, Mitglied der Menschenrechtsorganisation
APDH (Asamblea Permanente por los Derechos Humanos), die in der Zeit der
Militärdiktatur Hunderte von An-zeigen gegen Verräter und Unterstützter der
Militärjunta erhalten hat, erklärte: „Der  Name Jorge Mario Bergoglio war nie
dabei.“
Es gibt heute juristisch und historisch keinen Zweifel daran, dass Bergoglio
unschuldig ist. Am 20. März 2013 wird Pater Franz Jalics in einer öffentlichen
Erklärung bekräftigen, dass er nunmehr sicher wisse, dass Bergoglio mit seiner
Verhaftung nicht das Geringste zu tun gehabt hat. Im Gegenteil: Bergoglio habe
versucht, ihn und Yorio frei zu bekommen.
In seiner Zeit als Provinzial der Jesuiten hat sich Bergoglio immer vor seine
Priester gestellt und sie stets in den Slums unterstützt. Dennoch: In der Politik,
aber auch in der Kirche kommt es vor, dass Menschen mit Dreck beworfen
werden, in der Hoffnung, dass irgendetwas hängen bleibt, und seien die
Anschuldigungen auch noch so aus der Luft gegriffen. Immer wieder wird
Bergoglio des Verrats an den beiden Priestern beschuldigt, immer wieder betont
die Justiz, dass er unschuldig ist. Es gibt nicht den geringsten Beweis für seine
Schuld. Doch dieser Verdacht ist auch die Ursache des größten Schmerzes im
Leben des Jorge Mario Bergoglio.“
    Quelle:  Andreas Englisch, „Franziskus - Zeichen der Hoffnung“,
                     2013 C.Bertelsmann Verlag, München, S.264ff.