Dianas spirituelles Erwachen und ihre Mission ...
Paul Burrell berichtet darüber folgendes:
“Die Prinzessin hatte einiges durchgemacht und viel in Bewegung gesetzt, seit sie im Jahre
1992 nach Kalkutta gereist war und das Heim von Mutter Teresa besucht hatte, wo man sich
der Hungernden, der Kranken und der Sterbenden annahm. Jene Reise hatte ihr Leben
verändert, hatte ihr Hoffnung gegeben und sie zu einer Zeit auf einen humanitären und
spirituellen Weg geführt, als sie keinerlei Erfüllung in ihrer zerbrechenden Ehe fand. “Damals
fand ich meine Richtung im Leben”, gestand sie mir. (S.400)
Diana überreichte Paul Burrell auch persönliche Aufzeichnungen über ihre Gedanken und Gefühle
während jener Reise nach Indien, “so als wolle sie mich in die Beweggründe für ihr humanitäres
Engagement einweihen und mir vor Augen führen, weshalb ihr diese Arbeit so wichtig war”.
Über diese Aufzeichnungen schreibt Paul Burrell: “In ihrem lebendigen Bericht schilderte die
Prinzessin, wie sie in Kalkutta ein spirituelles Erwachen erlebt hatte, das zur treibenden Kraft
hinter allen wohltätigen Aufgaben und gemeinnützigen Missionen wurde, die sie erfüllte.
Als die Prinzessin das Heim von Mutter Teresa besuchte, sangen die Schwestern in der
Kapelle das Vaterunser und knieten mit der Prinzessin zum Gebet nieder.
Die Prinzessin betrachtete diese Frauen als Heilige, die weit über ihr standen, unabhängig
davon, was andere Menschen dachten. Schwestern wie die in Kalkutta waren wahre Heilige;
Prinzessinnen in England dagegen nicht. Sie wollte ihrer Umgebung jedoch das Mitgefühl
und die Wärme entgegenbringen, die sie bei jenen Frauen gespürt hatte. (....) In Indien
entstand gleichsam das Modellbild, auf das sie sich bei künftigen humanitären Missionen
stützte, denn sie vergaß nie, wie wichtig eine einfache, aufrichtige Geste war, wenn man mit
jungen, kranken und armen Menschen zu tun hatte.
In ihrem Herzen trug sie die Lektion, die sie instinktiv mitgenommen hatte, als sie bei ihrem
Besuch in Mutter Teresas Kinderheim einen blinden und tauben Jungen in die Arme
geschlossen hatte. Später schrieb sie: “Ich drückte ihn ganz fest und hoffte, er werde meine
Liebe und Wärme spüren.” (....)
In ihrem Bericht über ihre Erlebnisse in Kalkutta schilderte sie auch einen Besuch in einem
Sterbehospiz. Als ich diese Zeilen las, wurde mir klar, dass ihre Eindrücke dort - und auch
der Tod ihres Freundes Adrian Ward-Jackson im Jahre 1991 - sie zutiefst berührt und geprägt
hatten. Deswegen konnte sie mir auch so viel Kraft geben, als meine Mutter starb. (....)
In jenem Hospiz sah sie sich mit endlosen Reihen von Betten konfrontiert, in denen Männer,
Frauen und Kinder mutig ihrem unausweichlichen Tod entgegensahen. “In Würde sterben”,
nannte sie dies. Die Menschen waren “glücklich”, unter Mutter Teresas Dach zu sterben. (...)
Ich las, was sie über diese Erfahrung geschrieben hatte, die ihre Einstellung zum Leben - und
zum Tod - so grundlegend verändert hatte. Nach der Rückkehr aus Kalkutta spürte sie den
tiefen Drang, den Kranken und Sterbenden weltweit zu helfen. Das war ihr Erwachen. Man
muss nur die Reden der Prinzessin nach 1992 ansehen, um zu erkennen, dass sie sich immer
mehr über Fragen des Glaubens äußerte. Sie war überzeugt, dass es nichts Lohnenderes gab,
als Kranke und Sterbende zu unterstützen. Das verlieh ihr “neue Kraft”. Sie meinte auch, ihre
Stellung als Prinzessin von Wales verpflichte sie dazu, einen Beitrag zu leisten.” (S.400 ff.)
Einer dieser Beiträge, den Prinzessin Diana leisten wollte, um die Welt zum Besseren zu verändern und
das Leiden zu verringern, war ihre Kampagne zum weltweiten Verbot von Landminen. Auch auf dieser
Mission war Paul Burrel an ihrer Seite.
Es war Dianas Reise nach Angola im Jänner 1997, bei der sie auch über ein vermintes Feld ging.
Paul Burrel schildert diese Aktion, die weltweit Aufsehen erregte, folgendermaßen:
“Es war der 15. Jänner 1997. Der Tag blieb unvergesslich wegen jenes berühmten Bildes, auf
dem die Prinzessin zu sehen ist, wie sie in ihrer weißen Bluse und ihren kremfarbenen
Chinos, mit gründer Feldjacke und Helm auf einem sicheren Pfad über ein Minenfeld
schreitet, das vom Halo Trust sorgfältig geräumt wurde. Es war ein Pressetermin, der Zyniker
zu Hause veranlasste, die Prinzessin als “schussbereite Kanone” zu bezeichnen und ihr
vorzuwerfen, sie mische sich in die Politik ein. Indem sich die Prinzessin für die Ächtung von
Landminen einsetzte, schärfte sie den Blick der Welt für die vergessenen Kriegsopfer, die
unschuldigen Zivilisten, die getötet oder verstümmelt worden waren, nur weil sie einen
falschen Schritt auf ihren Dorfstraßen taten, die übersät waren von tödlichen Vorrichtungen,
die immer noch weit verbreitet waren, trotz des weltweiten Abkommens über Landminen,
auf das sich Großbritannien, Kanada und die Vereinigten Staaten nicht festlegen wollten.
Ihre Gegner in der Fleet Street warfen ihr vor, auf dem Minenfeld bloß wieder einen
Fototermin inszeniert zu haben, um Aufmerksamkeit zu erheischen.“ (S.397)
Dabei wurde Paul Burell während dieser humanitären Reisen immer wieder Zeuge von berührenden
Situationen, in denen Diana den Kranken und Armen gerade dann die meiste Liebe und Zuneigung
schenkte, wenn die Kameras gerade nicht anwesend waren.
Er berichtet: “In Sarajewo besuchten wir eine Barackensiedlung, durch die uns ein Priester
führte. In einer primitiven Hütte aus Ziegeln und Wellblechdach begegneten wir einem
fünfzehnjährigen Mädchen. Sie hatte keine Eltern mehr und hatte ein Bein verloren, als sie
eine Müllkippe durchstöberte, um etwas Essbares für ihre jüngeren Geschwister aufzutreiben.
Die Prinzessin und auch die Presse waren entsetzt über die schreckliche Not des Mädchens.
Aber während die Reporter und Fotografen wieder einmal eines von unzähligen Landminen-
opfern herausgriffen und ins Rampenlicht rückten, machte ich die Prinzessin heimlich auf
einen Nebenraum aufmerksam, der durch einen Vorhang abgetrennt war.
Wir beide schlüpften hinter den Vorhang, ohne dass uns jemand von der Presse folgte.
Während sich unsere Augen an die Dunkelheit gewöhnten, erblickten wir auf einer
stinkenden Matratze in einer Ecke die bis zum Skelett abgemagerte vierjährige Schwester des
Mädchens. Sie war schwer geistig behindert. Sie hatte ins Bett gemacht und lag in ihrem
eigenen Urin. Ihre Augen waren geschlossen.
Wir sprachen kein Wort. Ich sah nur zu, wie Prinzessin an das Bett trat, sich bückte und das
Kind hochnahm. Sie drückte das winzige Gerippe sanft an sich und streichelte über die
kraftlosen Arme und Beine. Das Kind öffnete die Augen, doch es waren keine Pupillen zu
erkennen. Das Kind war blind.
Während ich neben der Chefin stand, wurde mir bewusst, dass ich etwas ganz Besonderes
gewahrte. Es waren keine Fotografen zugegen, um diesen Augenblick festzuhalten. Ich war
der einzige Zeuge dieses schlichten Akts der Menschlichkeit - eine Geste, die diese Frau, die
ich so gut kannte, so innig verkörperte.
Nun erlebte ich mit eigenen Augen die tiefe Bedeutung jener Aufzeichnungen von Kalkutta,
die sie mir gegeben und in denen sie über einen blinden und tauben Jungen geschrieben
hatte: Ich drückte ihn ganz fest und hoffte, er werde meine Liebe und Wärme spüren.”
Ich war oft bei den humanitären Missionen der Prinzessin zugegen, doch jenen Augenblick
und das Mädchen in dem Krankenhaus in Angola werde ich niemals vergessen.” (S.426 ff.)