Weite Teile Süditaliens waren noch von einem quasi feudalen System beherrscht,
der Bruch zwischen Norditalien und Süditalien schien unüberwindbar. In Sizilien
waren 90 Prozent der Bevölkerung Analphabeten, im Norden lag die Zahl bei
etwas über der Hälfte der Bevölkerung, doch insgesamt konnten mehr als zwei
Drittel aller Italiener ihren Namen nicht schreiben.
Erschwerend kam noch hinzu, dass nur 2,5 Prozent der Bevölkerung überhaupt
italienisch sprach. Aller Wahrscheinlichkeit nach lernte auch Angelo Roncalli in
der ersten Klasse der kleinen Grundschule des Ortes zum ersten Mal italienisch
sprechen, da er bis dahin – wie alle anderen auch – nur Dialekt gesprochen hatte.
Was dies nicht nur für die Verbreitung der Literatur, sondern vor allem für die
Verbreitung von Informationen durch die Presse für eine Bedeutung hatte, lässt
sich unschwer erahnen.
Um ein Transportsystem – und damit einen wirtschaftlichen Aufschwung – zu
ermöglichen, nahmen die ersten Regierungen zunächst den Bau der Eisenbahnen in
Angriff. Das Kapital dafür kam zum größten Teil aus dem Ausland. Diese fremden
Investitionen kurbelten zwar zunächst die Wirtschaft an, doch dann blockierten sie
die beginnende italienische Industrie, die weniger Mittel hatte. Die Regierungen
bemühten sich, Abhilfe zu schaffen. Doch die hohen Zölle, die eingeführt wurden,
bedeuteten das Aus für den Export von landwirtschaftlichen Gütern.
Die Armut einer Familie wie die der Roncallis, die einiges für den Export
herstellte, wurde jedoch nicht nur dadurch, sondern noch zusätzlich durch die
schlechte Verteilung der Steuerlast erschwert. Die Steuer auf das Mahlen von
Getreide und die hohe Steuer auf das Salz waren Höhepunkte dieser
Fehlentwicklung, die gerade von den armen und kinderreichen Familien die
größten Opfer verlangten.