Alexandra von Teuffenbach beschreibt die Kindheit von Johannes XXIII. in ihrer
Biographie folgendermaßen:
“Im ausgehenden 19.Jahrhundert waren die Roncallis Halbpächter von ca. 6 Hektar
Land, das nur mit größter Mühe die zahlreiche Familie – sie war die größte der
ganzen Pfarrei – ernährte. (...)  Alle arbeiteten in dem großen Haushalt, in dem
neben den Eltern und Großeltern auch noch die Geschwister des Vaters lebten,
einige Großtanten und Onkel und ein Cousin desVaters mit seiner Frau und zehn
Kindern. Angelo Guiseppe wird noch neun jüngere Geschwister haben. Nach der
Entwöhnung lebten die Kinder in einer großen Kammer unter dem Dach. Sie
schliefen auf Maisschoten. Mais war damals das Hauptnahrungsmittel der armen
Leute, so auch der Familie Roncalli. Seinem Sekretär erzählte Johannes XXIII.
später einmal, es habe damals bei ihm zu Hause jeden Tag Polenta (Maisbrei)
gegeben, niemals Brot, und zu Weihnachten, Ostern und an Kirchweih ein
Stückchen Fleisch.
Große Erwartungen scheint es in dem Haushalt nicht gegeben zu haben. Nirgends
findet man auch nur eine Spur der Suche nach einer sozialen oder auch finanziellen
Verbesserung. „Für alles sorgte der gute Gott: die Felder, auf denen Getreide und
Wein angebaut wurde; die Tiere im Stall mit der Milch und die Milchprodukte; die
Gottesfurcht, die die Ordnung hielt, die Heiterkeit eines gemeinsamen Lebens, das
mit Arbeit ausgefüllt war, das gute Wirken, mit seinem gegenseitigen Respekt und
mit dem niemals gestörten häuslichen und christlichen Frieden.“
Seine Kindheit in Sotto il Monte, die Johannes XXIII. noch als Papst in verklärter
Erinnerung hält, war von einer unbeschreiblichen Armut gekennzeichnet. Doch
nirgends findet man in seinem „Geistlichen Tagebuch“ oder in den Briefen Klagen
darüber. Es scheint, dass die bittere Armut der Familie Roncalli vom zukünftigen
Papst stets als gottgegeben angenommen wurde und er sich niemals bemüht hat,
daraus auszubrechen. In vielem werden auch einige seiner Geschwister diese
Gleichmütigkeit und Genügsamkeit beibehalten, wenn auch Johannes XXIII. dafür
Sorge tragen wird, dass seine Geschwister der ärgsten Armut entfliehen können.
Die Umgebung, in der der Roncalli-Papst aufwuchs, mutet fast mittelalterlich an.“
Quelle: Alexandra von Teuffenbach, „Papst Johannes XXIII. begegnen“,
               2005 St.Ulrich Verlag, Augsburg, S. 11ff.