Am 15. Februar 2013 zerreißt ein riesiger Feuerball den Himmel nahe Moskau. Er
explodiert über der Stadt Tscheljabinsk, wird von unzähligen Zeugen gesehen und
gefilmt. Nie zuvor gab es vergleichbare Aufnahmen eines solchen kosmischen
Zwischenfalls. Der in Russland übliche Einsatz von Frontscheiben-Kameras kam der
Dokumentation des Ereignisses natürlich besonders zugute.
Während die Autofahrer solche Kameras für gewöhnlich zur Sicherung der
Beweislage bei Verkehrsunfällen einsetzen, lieferten sie diesmal wertvolles
Bildmaterial für Weltraumforscher. Natürlich herrschte zuerst Verwirrung, was zu
jener Morgenstunde in Russland geschehen war. Da wurde gerätselt und
gemunkelt, beispielsweise auch, es habe sich um eine explodierte US-Rakete
gehandelt.
Dass beim Militär so manches möglich ist, dürfte niemand bezweifeln, doch die
Bahnberechnungen ergaben klar, dass dieses spezifische Objekt aus den Tiefen des
Weltraums stammte und den typischen Kurs eines kosmischen Kleinkörpers
aufwies. Auch der Feuerball selbst entsprach in seinem ganzen Erscheinungsbild
dem eines Riesenmeteors. Er gehörte einer Sorte vonvon Erdbahnkreuzern an,
offenbar ein Asteroid vom Typ »Apollo«. Einige Experten vermuten, es könne sich
um ein Bruchstück des Kleinplaneten 2011 EO40 handeln.
Bald fanden sich dann auch erste Überbleibsel des Eindringlings. Einige Brocken
mussten die Explosion überlebt haben und in den gefrorenen Tscherbakul-See
gestürzt sein. Darauf deuteten Einschlaglöcher im Eis hin. Zunächst wurden auf der
erstarrten Oberfläche nur millimetergroße Fragmente entdeckt. Gegen Ende Februar
2013 konnten Stücke mit über einem Kilogramm Masse identifiziert werden. Ihre
kosmische Herkunft steht fest, es handelt sich um frische Exemplare eines
gewöhnlichen Chondriten – also ein typischer Steinmeteorit, in dessen feinkörnige
Matrix zahlreiche runde Schmelzkügelchen (Chondren) eingebettet sind.
Jetzt, am 16. Oktober, konnte der bislang größte Brocken geborgen werden: ein
mächtiger Stein von sage und schreibe anderthalb Metern Länge und 570
Kilogramm Masse. Er lag in rund 20 Metern Tiefe im See verborgen. Als er mithilfe
von Gurten und Schnüren nach oben gezogen wurde, zerbrach der gewaltige
Meteorit leider in drei Teile. Schon der erste Eindruck ließ allerdings kaum Zweifel
zur Natur dieses schwarzen Gebildes aufkommen. Es zeigt sich bedeckt von einer
glasigen Schmelzkruste und charakteristischen Regmaglypten, wie sie beim
Atmosphärenflug entstehen, wenn sich leichter schmelzbare Anteile des Meteoriten
lösen und Einbuchtungen im Gestein hinterlassen.
Im Inneren der Tscheljabinsk-Chondriten findet sich ein Cocktail meteoritischer
Komponenten, der eine interessante Geschichte erzählt. Denn sie lassen darauf
schließen, dass der kleine Himmelskörper auf seinem Weg durchs All mit einem
anderen Asteroiden zusammenstieß, wobei sich die Bestandteile vermengten. Als
der insgesamt »lediglich« zwischen 17 und 20 Meter große Meteorit die
Erdatmosphäre durchstieß und über Tscheljabinsk explodierte, ging eine enorme
Druckwelle von dem Ereignis aus. Zwar erreichte sie nicht die Gewalt des bis heute
rätselhaften Tunguska-Objekts von 1908, doch beschädigte sie laut gegenwärtigen
Angaben rund 3700 Gebäude und verursachte bei insgesamt mindestens 1491
Menschen Verletzungen, vor allem Schnittwunden durch zersplittertes Fensterglas.
Der 15. Februar 2013 war gleich in mehrfacher Hinsicht ein denkwürdiger Tag der
Meteoriten- und Asteroidenforschung. Denn genau am selben Tag flog 2012 DA14
in nur 27 000 Kilometern Abstand an der Erde vorbei. Dieser vermutlich etwa 40
Meter große Asteroid hätte bei einer Kollision natürlich auch eine weit größere
Explosion erzeugt, ähnlich dem Tunguska-Körper. Bemerkenswert, dass 2012 DA14
in keiner Beziehung zum Tscheljabinsk-Meteoriten stand und unserer Erde nur rein
zufällig am selben Tag so nahe kam.
Und als ob die Natur uns mahnend daran erinnern wollte, dass die Erde
unvergleichlich größere Kollisionen erlebt hat, identifizierten Forscher just an jenem
15. Februar außerdem noch den drittgrößten Einschlagskrater, der bislang auf
unserem Planeten gefunden wurde – das East Warburton Basin in Südaustralien.
Diese riesige Senke muss vor rund 360 Millionen Jahren von einem etwa 20
Kilometer großen Objekt gerissen worden sein. Die gewaltige Impaktzone liegt vier
Kilometer unter dem Erdboden. Rund 200 geologische Proben weisen klare Zeichen
für den prähistorischen Einschlag auf, vor allem schockmodifizierte Quarze. Auch
seismische Anomalien lassen auf die unheilvolle Kollision schließen, die mit einem
globalen Artensterben einherging und damit auch wieder die Theorie vom
Kometentod der Dinosaurier stützt.
Quelle: http://info.kopp-verlag.de/neue-weltbilder/neue-wissenschaften/andreas-von
-r-tyi/russland-monster-meteorit-geborgen.html