Unter Transvestitismus (Lat.: trans: hinüber; vestire: kleiden) wird das Tragen
der Bekleidung eines anderen Geschlechts als Ausdruck der eigenen Geschlechts-
identität verstanden. Transvestitismus ist unabhängig von der sexuellen Orien-
tierung und kommt sowohl unter Heterosexuellen als auch unter Homosexuellen
vor.
Tansvestitismus ist ein von Magnus Hirschfeld 1910 geprägter Begriff. Er
beschrieb damit „alle Menschen, die, gleich aus welchen Gründen, freiwillig
Kleidung tragen, die üblicherweise von dem Geschlecht, dem sie körperlich
zugeordnet sind, nicht getragen werden; und zwar sowohl Männer als auch
Frauen.“ Heute entspricht dieser Begriff am ehesten dem Begriff Transgender.
Eine erste Unterscheidung zwischen Transvestitismus und seelischem Trans-
sexualismus traf Hirschfeld selbst im Jahr 1923 in der letzten Ausgabe seines
Jahrbuchs für sexuelle Zwischenstufen, um das Begehren einiger Transvestiten
nach körperlicher Anpassung an das andere Geschlecht zu beschreiben.
1953 griff Harry Benjamin diese Unterscheidung in seinem Artikel Transvestism
and Transsexualism (Intl. Journal of Sexology) auf und etablierte sie 1966 mit
seiner Veröffentlichung The Transsexual Phenomenon in der Sexualmedizin.
Diese beiden Kategorien sind auch heute noch die bekanntesten aus dem
Transgender-Spektrum
Die folgenden Begriffe werden zum Transgender-Spektrum gerechnet, die
Abgrenzung zum Transvestitismus ist mangels wissenschaftlicher klarer Definition
unscharf, teilweise werden die Begriffe synonym benutzt oder überlappen sich:
Das Tragen von Kleidung eines anderen Geschlechts in der Öffentlichkeit
oder privat; üblicherweise nicht in übertriebener Form wie beim Drag.
Früher wurde die Bezeichnung Transvestitismus auch für Cross-Dressing
verwendet.
DWT (von Damenwäscheträger)
Im Grundsatz wie Cross-Dressing, aber regelmäßig beschränkt auf solche
Kleidungsstücke, die unter der „normalen“ Kleidung nicht zu sehen sind.
Dies kann eine Form des transvestitischen Fetischismus sein, ebenso kann
es sich aber um ein Zugeständnis an die Konformität zur Gesellschaft
handeln, da diese Form gewöhnlich für Dritte unsichtbar bleibt.
Zu unterscheiden ist hier zwischen Dragqueens und Dragkings: Dragqueens
sind anatomische Männer, die Frauen in einer extrem überzeichneten Weise
darstellen. Die Bezeichnung Dragkings hingegen wird häufig für alle
Menschen mit einem weiblichen Körper, die in irgendeiner Form
Männlichkeit darstellen, benutzt. Dies schließt das gesamte Spektrum des
Transvestitismus und einen großen Teil des Transgender-Spektrums ein.
Kunstform des Transvestitismus; Darstellung einer (Bühnen-)Rolle eines
Geschlechts durch Personen des anderen Geschlechts. Üblicherweise besteht
bei all diesen Formen nicht der Wunsch nach einem vollständigen Wechsel
der Geschlechtsrolle, die Übergänge dazu, ebenso wie die Übergänge
zwischen den obengenannten Formen, sind aber fließend. Insbesondere ist
es nicht selten, dass der Wunsch nach einem vollständigen Geschlechts-
rollenwechsel durch intensives Cross-Dressing für lange Zeit kompensiert
werden kann, ehe dieser durchbricht und nicht mehr kompensiert werden
kann, und ein vollständiger Wechsel der Geschlechtsrolle angestrebt wird.
Transvestitismus ist laut ICD-10 eine psychische Störung, und wird dort unter
dem Code F64.1 (Transvestitismus unter Beibehaltung beider Geschlechtsrollen)
geführt. Zur Diagnose dieser Störung werden hauptsächlich drei Kriterien
herangezogen:
Tragen gegengeschlechtlicher Kleidung, um die zeitweilige Erfahrung der
Zugehörigkeit zum anderen Geschlecht zu erleben.
Der Kleiderwechsel ist nicht von sexueller Erregung begleitet.
Der Wunsch nach dauerhafter Geschlechtsumwandlung oder chirurgischer
Korrektur besteht nicht.
Eine abweichende Diagnose ist „Transvestitischer Fetischismus“. Er gilt ebenfalls
als psychische Störung und wird den Paraphilien (F65.1) zugerechnet.
Die Diagnosen sind umstritten, da die meisten Betroffenen, bei denen die Diagnose
F64.1 (Transvestitismus unter Beibehaltung beider Geschlechtsrollen) oder die
Diagnose F65.1 (Transvestitischer Fetischismus) gestellt wird, ein ganz normales
Leben führen. Die meisten Transvestiten sind verheiratet, gehen einer Arbeit nach
und verkleiden sich nur privat. Aus diesem Grund wird ausschließlich dann eine
psychische Störung diagnostiziert, wenn die Betroffenen in klinisch bedeutsamer
Weise darunter leiden (Davison und Neale, 2002).