Nach dem Bürgerkrieg und der internationalen Militärintervention 2011 wurde das
Land von Kämpfen rivalisierender Milizen erschüttert. Seit dem Sturz des lang-
jährigen Machthabers Muammar al-Gaddafi standen weite Teile des Landes unter
Kontrolle dieser Milizen, die sich nicht dem Nationalen Übergangsrat unterstel-
lten. Politische Beobachter sprachen von einem Machtkampf zwischen Milizen
und Übergangsrat und warnten vor einem neuen Bürgerkrieg.
Auslöser der Krise waren neben der permanent schlechten Sicherheitslage seit
2011 besonders zwei Schlüsselereignisse. Zum einen ließ General Chalifa Haftar
im Mai 2014 das libysche Parlament durch seine Privatarmee al-Saika
besetzen.
Ziel dieser Aktion sei es gewesen, Islamisten gefangen zu nehmen. Haftars
Truppen erklärten: „Wir, Mitglieder der Armee und Revolutionäre, verkünden die
Suspendierung des Allgemeinen Nationalkongresses.“ Anschließend machten
seine Truppen und Anhänger Jagd auf seine politischen Gegner.
Der Konflikt eskalierte endgültig, nachdem die Parlamentswahl in Libyen 2014
durch das islamistische Bündnis Morgenröte nicht anerkannt wurde. Dieses
Bündnis besetzte daraufhin die Hauptstadt und vertrieb Regierung und Parlament
in den Osten des Landes.
Nach der Eroberung der Hauptstadt durch die Truppen des Allgemeinen Natio-
nalkongresses soll es von Seiten der Gegenregierung zu schweren Menschen-
rechtsverletzungen gegenüber politischen Gegnern und Zivilisten gekommen sein.
Seit Februar 2015 versuchen die Vereinten Nationen, aus beiden Regierungen
eine Einheitsregierung zu bilden, um den Bürgerkrieg zu stoppen, das Land
zu stabilisieren und die Terrorgruppe „Islamischer Staat“ zu bekämpfen.
Beteiligte Gruppen im libyschen Bürgerkrieg
Nachdem die aus den Parlamentswahlen im Jahr 2014 gebildete Regierung von
islamistischen Milizen gestürzt wurde und die bis dahin international anerkannte
Regierung unter Abdullah Thenni in die Flucht nach Osten getrieben wurde, ent-
stand unter Vermittlung der UNO im Laufe des Jahres 2015 eine neue, internati-
onal anerkannte Einheitsregierung unter Fayiz as-Sarradsch (auch Sarraj oder
Serraj geschrieben).
Diese „Regierung der nationalen Einheit“ wurde per Vertragsunterzeichnung am
17. Dezember 2015 verkündet und sollte als Übergangslösung bis zu neuerlichen
Parlamentswahlen nach zwei Jahren dienen. De facto kontrolliert diese Einheitsre-
gierung mit Tripolitanien aber nur den Nordwesten des Landes.
Die Hauptstadt Tripolis wurde bis dahin allerdings von islamistischen Milizen
kontrolliert, die im März 2016 die Ankunft von Sarradsch in seinem Amtssitz mit
allen Mitteln verhindern wollten. Letztlich war die Einreise des Regierungschefs
aus seinem tunesischen Exil in die libysche Hauptstadt nur auf einem Kriegsschiff
über den Militärstützpunkt Abu Sita möglich.
Im Anschluss kam es in Tripolis zu Gefechten zwischen der Einheitsregierung und
den die Stadt kontrollierenden Milizen. Danach, auch unter internationalem Druck
und Unterstützung für Sarradsch, konnte die neue Einheitsregierung nach und nach
die Kontrolle über Tripolis gewinnen.
Die „Gegenregierung“ im Osten Libyens verzichtete jedoch nicht auf ihre
Machtansprüche und kontrolliert weiterhin (2018) den größten Teil des Landes.
Gegen Ende der „Übergangsfrist“, im Jahr 2017, meldete sich General Chalifa
Haftar, der die libysche Armee im aus Tobruk regierten Osten führt, häufiger zu
Wort und meldete auch Machtansprüche an. Bereits 2014 hatte er als Milizenführer
einen Sturm auf das Parlament in Tripolis unternommen.
Die Streitkräfte der Einheitsregierung – Libysche Armee
Die „Libysche Armee“ der Regierung setzt sich aus Teilen der Streitkräfte Libyens
und drei größeren Milizenbündnissen zusammen.
1.„Morgenröte“: Die Miliz mit dem Sitz in Misrata bildet hier die größte
Gruppierung und soll 40.000 Kämpfer umfassen. In Misrata sind die
Luftstreitkräfte der „Libyschen Armee“ stationiert.
2.„Libyens Schutzschild“: ein Bündnis verschiedenster islamistischer Milizen,
denen eine Nähe zu al-Qaida nachgesagt wird. Teile davon sollen sich den „IS-
Ablegern“ angeschlossen haben. Sie sollen zwischen 6.000 und 12.000 Kämpfer
umfassen.
3.„LROR“ (Operationszentrale der libyschen Revolutionäre): Der „LROR“
wurde als eine Art Prätorianergarde von Expräsident Busahmein im Mai 2013
gegründet. Die Miliz soll für die Entführung des ehemaligen Ministerpräsidenten
Ali Seidan verantwortlich gewesen sein. Der „LROR“ soll wenige hundert
Kämpfer umfassen.
Kritik: Dieser Allianz wird vorgeworfen, mit radikalen islamistischen und
terroristischen Gruppierungen wie Ansar al-Scharia zusammenzuarbeiten
und einen Islamischen Staat anzustreben. Einzelne Gruppen innerhalb der
Allianz gelten als al-Qaida nahestehend. Nach der Eroberung von Tripolis wurden
ihnen dort schwerste Menschenrechtsverletzungen an politischen Gegnern vorge-
worfen. Insbesondere die radikalsten islamistischen Milizen, die einen
islamisti-schen Gottesstaat anstreben, gelten als großes Hindernis eine
Einheitsregierung zu bilden.
Die Regierung unter Ministerpräsident Abdullah Thenni residiert in al-Baida. Ihr
aktuelles Staatsoberhaupt ist Aguila Saleh Issa, der seit 2014 als offizielles Staats-
obehaupt Libyens gilt. Sie stützt sich auf den 2014 gewählten Abgeordnetenrat,
welcher in Tobruk residiert.
Das Parlament ist allerdings laut eines Urteils des Libyschen Gerichtshofes, der
seinen Sitz in Tripolis hat, im November 2014 „illegal“. Die Regierung in Tobruk
erkennt dieses Urteil aber nicht an, weil es unter Gewaltandrohung zustande
gekommen sein soll.
Die Regierung kontrolliert den Großteil des Ostens Libyens sowie die Region des
Dschabal Nafusa Berglandes im Westen mit der Stadt az-Zintan. Sie ist mit den
Streitkräften von Chalifa Haftar verbündet. Zusammen bilden sie die Allianz
„Würde“ .
Die Regierung kontrolliert den Großteil Libyens, wobei viele Regionen wenig
Bevölkerung aufweisen und gerade die Lage in Fessan zwischen Tubu-, Tuareg-
und islamistischen Milizen (die die Wüste als Rückzugsort nutzen) sehr unklar ist.
Die Streitkräfte Haftars – Libyan National Army (LNA)
Der Regierung des Ostens zur Seite stehen die Streitkräfte Libyens. Haftar wurde
im Mai 2014 von Ministerpräsident Thenni, den Streitkräften Libyens sowie dem
libyschen Parlament vorgeworfen, einen Putschversuch unternommen zu haben, da
seine Milizen das Parlament in Tripolis gestürmt hatten. Er fungiert seitdem laut
Wikipedia angeblich als undurchsichtiger Warlord.
Vor seiner Ernennung zum Oberbefehlshaber der Armee stützte sich Haftar auf
seine etwa 5.000 Mitglieder zählende al-Saika Miliz. Dieser steht er weiterhin vor.
Der Allianz, insbesondere von General Haftar, wird von ihren Gegnern
vorgeworfen, in Libyen eine Militärdiktatur errichten zu wollen. Diese Vorwürfe
gegenüber General Haftar erhoben im Sommer 2014 selbst einige seiner jetzigen
Verbündeten, wie z. B. Ministerpräsident Abdullah Thenni.
Verbündete und Unterstützer der Einheitsregierung
Vereinigte Staaten Vereinigte Staaten: US Spezialeinheiten sind seit dem
Dezember 2015 im Land, jedoch bestätigt die US-Regierung nur, dass die
Einheiten beratend im Land seien.
2016 haben die USA mit Luftschlägen eine Offensive gegen den IS in Sirte
unterstützt und bombardieren seither auch weiterhin gelegentlich Al-Qaida- und
IS-Stellungen im Zentrum des Landes, so zuletzt im September 2017, als nach US-
Angaben über ein Dutzend Islamisten getötet worden seien.
Italien: Italien gilt als engster Verbündeter Serrajs. Seit 2016 unterhält Italien in
Tripolis und Misrata Militärstützpunkte. Über die Entsendung von Spezialein-
heiten nach Libyen wurde das italienische Parlament von der Regierung jedoch
nicht informiert.
Frankreich gab am 20. Juli 2016 zu, dass Spezialeinheiten in Libyen operieren.
Dies erfolgte, nachdem ein Helikopter mit drei Soldaten bei einer Geheimdienst-
operation abgestürzt ist. Le Monde berichtet jedoch bereits im Februar 2016, dass
Spezialeinheiten im Land seien.
Vereinigtes Königreich: Großbritannien soll SAS Soldaten nach Libyen geschickt
haben. Jedoch verweigert die Britische Regierung einen Kommentar zu diesem
Thema. Die Soldaten sollen dabei eng mit Jordanischen Spezialeinheiten zusam-
menarbeiten. Man gibt einzig zu, die Royal Air Force für Aufklärungsflüge in
Libyen einzusetzen.
Türkei: Die Türkei unter Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan unterstützt seit
dem Umbruch in der arabischen Welt 2011 zahlreiche islamistische Bewegungen.
Insbesondere die Muslimbruderschaft wurde von Erdogan seit 2011 großzügig
gefördert.
Nachdem zeitweise sowohl Tunesien durch die Ennahda und Ägypten durch die
Freiheits- und Gerechtigkeitspartei regiert wurden und in Libyen die Partei für
Gerechtigkeit und Aufbau dem ehemaligen Staatschef Nuri Busahmein nahestand,
schienen diese Pläne aufzugehen. Doch nachdem im Zuge des Militärputschs in
Ägypten 2013 die Muslimbruderschaft gestürzt und die Ennahda in Tunesien
abgewählt wurde, konzentriert sich die türkische Regierung darauf, zumindest die
Regierung in Tripolis zu halten.
Am 23. Februar 2015 beendete die anerkannte Regierung Libyens die Zusammen-
arbeit mit allen türkischen Firmen, die bis dahin eine starke Präsenz in der
libyschen Erdölindustrie hatten.
Auch sollen nun Flüge der Air Libya, die weiterhin zwischen Tripolis und der
Türkei verkehren, zukünftig einen Zwischenstopp im östlichen Teil Libyens
einlegen, damit weder Dschihadisten aus Syrien oder dem Irak, noch Kämpfer,
Waffen und Nachschub für „Morgenröte“ ins Land kommen.
Katar: Auch Katar trat nach dem Arabischen Umbruch 2011 als großer Unter-
stützer der Muslimbruderschaft in Erscheinung. Katar fördert seit dem Ende der
Revolution 2011 insbesondere islamistische Bewegungen in Libyen finanziell. Im
Februar 2015 beschuldigte Thenni Katar, Waffen an „Morgenröte“ zu liefern.
Jordanien: Jordanische Spezialeinheiten sollen eng mit den britischen SAS
zusammenarbeiten.
Sudan: Der Sprecher General Haftars warf dem Sudan im Juni 2014 vor, von
Katar bezahlte Waffen an islamistische Milizen um Abd al-Hakim Balhadsch
weiterzuleiten. Die sudanesischen Streitkräfte leugneten dies. Eine UN-Kommis-
sion ermittelte jedoch, dass der Sudan in Verletzung des Waffenembargos drei
Kampfhubschrauber des Typs Mil Mi-24/35 nach Libyen vermietet hatte. Um
Lufttransporte aus dem Sudan zu verhindern und abzufangen, hat die Haftar-treue
Luftabwehrabteilung angekündigt, in den Kufra-Oasen nahe der libysch-sudanesi-
schen Grenze P-12 und P-18 Radargeräte zu installieren.
Im Februar 2015 erklärte die sudanesische Regierung von Umar al-Baschir ihre
Anerkennung und Unterstützung der Regierung in Tobruk.
Ukraine: Die Rolle der Ukraine im Konflikt ist sehr unklar. Im August 2014
besuchte zunächst eine libysch-türkische Delegation die Ukraine, um Sturm-
gewehre und Munition zu kaufen. Der ukrainische Außenminister Pawlo Klimkin
empfing im Februar 2015 als weltweit erster Außenminister eine Delegation von
„Morgenröte“ in Kiew. Beobachter gehen davon aus, dass „Morgenröte“ mit
ukrainischer Hilfe Mig-23 Kampfflugzeuge aus der Zeit des Gaddafi-Regimes
wieder einsatzfähig machen möchte. Diese Bemühungen hatten offenbar Erfolg.
„Morgenröte“ verfügt seit Februar 2015 über eine eigene Luftwaffe, die Angriffe
auf Städte der Regierung wie Ras Lanuf oder az-Zintan durchgeführt hat.
Die Gründe, warum die Ukraine in Libyen präsent ist, dürften wie im Falle
Weißrusslands daraus resultieren, dass viele Waffensysteme der libyschen Milizen
aus der ehemaligen UdSSR oder Russland kommen. Daher verfügen sowohl die
Ukraine, als auch Weißrussland über die technischen Möglichkeiten, Ersatzteile
oder Munition zu liefern. Spekulativ ist, dass es der Wirtschaft der Ukraine extrem
schlecht geht und die Gegenregierung mit Katar einen solventen Sponsor an der
Hand hat.
Eine solche Kooperation sah man zumindest im Bürgerkrieg in Syrien. Hier
arbeiteten die Türkei (als Transitland), die Ukraine (als Waffentransporteuer), der
Sudan (als Waffenfabrikant) und Katar (als Sponsor) bei der Bewaffnung der
syrischen Opposition eng zusammen.
Verbündete und Unterstützer von General Haftar:
Ägypten: Ägyptens Eingreifen in den Krieg hat sowohl innenpolitische wie
enpolitische Gründe. Außenpolitisch fürchtet die Regierung in Kairo, dass Libyen
im Chaos zum Rückzugsort des IS werden könnte bzw. faktisch dabei ist, das zu
werden. Da man bereits auf der Sinai-Halbinsel im Zuge des Sinai-Aufstandes
gegen radikale Islamisten und IS-Ableger kämpft, fürchtet man hier den
Zweifrontenkrieg.
Nach dem Militärputsch in Ägypten 2013 konnte das ägyptische Militär die dort
herrschenden Muslimbrüder stürzen. Nachdem „Fadschr Libia“ Tripolis
einnehmen konnte, flohen viele Muslimbrüder nach Tripolis. Daher unterstützt
Kairo General Haftar in der Hoffnung, dass dieser sowohl die IS-Ableger als auch
die innenpolitischen Feinde der ägyptischen Regierung bekämpft.[68] Es besteht
der Verdacht, dass Ägypten Mil Mi-8 Hubschrauber und MIG-21 Kampfflugzeuge
geliefert hat.
Vereinigte Arabische Emirate: Die Vereinigten Arabischen Emirate stellen sich
gegen Fadschr Libia aus primär innenpolitischen Gründen. Man strebt eine Ord-
nung vor dem Arabischen Frühling 2011 an und bekämpft unabhängig islamistisch
agierende Bewegungen wie die Muslimbruderschaft.
Seit Februar 2015 hat man sich mit der Regierung des Sudan (die die Gegenre-
gierung unterstützt) verständigt, in Libyen eine Übergangsregierung einzusetzen.
Die Luftwaffen beider Länder flogen seit August 2014 verschiedene Angriffe auf
Städte der Gegenregierung wie Tripolis oder Misrata.
Russland: Die wirtschaftlichen und militärischen Beziehungen zwischen Libyen
und Russland waren vor dem Konflikt 2011 sehr eng. Das reiche Libyen kaufte in
großer Zahl Waffen in Russland. Diese Beziehungen sollen nun wieder erneuert
werden. Da auch die Beziehungen zwischen Ägypten (der wichtigste Verbündete
Haftars) und Russland enger werden und Russlands Wirtschaft eine Krise durch-
läuft, bietet sich Libyen als neuer Exportmarkt an.
Weißrussland: Weißrussland liefert laut UN-Bericht Waffen trotz Waffen-
embargo an die Truppen Haftars, darunter auch 3.000 Tonnen Munition.
Fünfzehnmal wurde der Flughafen Ghadames angeflogen, wo Waffen an die
Milizen aus az-Zintan („Zintan-Brigaden“) übergeben wurden. Allein zwischen
dem 31. August 2014 und dem 21. September 2014 wurden mit 20 Flügen 900
Tonnen Munition an die Regierung geliefert. Weißrusslands Interesse am Konflikt
dürfte ausschließlich wirtschaftlich begründet sein. Die staatlichen Waffenwerke
Belwneschpromserwis liefern oftmals Waffen auch gegen bestehende Waffen-
embargos in Bürgerkriegsländer.
Quelle: Wikipedia (https://de.wikipedia.org/wiki/B%C3%BCrgerkrieg_in_Libyen_seit_2014)
dort gibt es weitere Quellenangaben (Stand: April 2019)