Josef Alkatout, promovierter Rechtsanwalt und Dozent für internationales Straf-
recht an verschiedenen Universitäten, schreibt dazu in seinem Buch „Ohne Prozess
– Die Entrechtung unserer Feinde im Kampf gegen den Terror“ folgendes:
„Fallen militärische Rivalen im Gefecht in die eigenen Hände, sperrt man sie in der
Regel ein. Sie werden zu dem qualifiziert, was es bereits seit Jahrhunderten gibt:
Kriegsgefangene. Das nicht sehr schmeichelhafte Wort beschreibt in Wirklichkeit
einen Status, von dem viele Soldaten träumen. Kriegsgefangene werden während
der Dauer des bewaffneten Konflikts quasi beiseitegeschoben und außer Gefecht
gesetzt. Sie dürfen jedoch nicht für ihre Eigenschaften als Kombattant des Gegners
büßen; das heißt, sie dürfen vom Widersacher weder verurteilt noch bestraft wer-
den, auch wenn sie vorher die im Konflikt erlaubten Gewalttaten begangen haben
– denn das war die ihnen angetragene Aufgabe. Ausgenommen sind lediglich
Kriegsverbrechen, das heißt vor allem Verletzungen der Regeln wie militärische
Notwendigkeit, Menschlichkeit (das Vermeiden unnötigen Leids), Verhältnis-
mäßigkeit und Unterscheidungsgebot – dazu später mehr. Für solche Zuwider-
handlungen sind Soldaten gar vom eigenen Staat vor Gericht zu stellen.
Ein ordentlicher Kombattant zu sein, ist jedoch kein Verbrechen. Diese Vorgeh-
ensweise spiegelt die Idee wider, dass der anonyme Gegner seit Menschenge-
denken nur zur Seite geschoben und verwahrt werden darf. Die zahlenmäßige
Minderung der kampfbereiten Soldaten der Konkurrenz soll deren Chancen, den
Krieg zu gewinnen, verkleinern und diesem möglichst rasch beenden. Deren
Tötung ist dann nicht mehr notwendig.
Während der Konflikt andauert, werden den Kriegsgefangenen zuerst die Waffen
abgenommen. Sie werden in sichere Gebäude gebracht und dort mit dem Nötigsten
versorgt. Solange keine Fluchtgefahr besteht, können sich die Betroffenen am Ort
frei bewegen  und gehen manchmal sogar einer geregelten Arbeit nach. Es handelt
sich im Sinn des Kriegsvölkerrechts nicht um eine Strafe, sondern eine Maßnahme
zur beschleunigten Beendigung des bewaffneten Konflikts.
Kriegsgefangene haben darüber hinaus weitgehende Rechte, insbesondere das
Recht, sich von einem unabhängigen Richter ihre Gefangenschaft bestätigen oder
etwa aufheben zu lassen. Dass eine solche Gefangenschaft nicht nur als Nieder-
lage, sondern auch als persönliches Glück, den Krieg womöglich unversehrt zu
überstehen, empfunden wird, ist den Betroffenen nur schwer zu verübeln.
Manchmal kümmern sich einheimische Anwohner zusätzlich um das Wohl der
Kontrahenten oder nehmen sie in ihre Häuser auf, befinden sich deren eigene
Angehörige doch oft in derselben Situation – beim Gegner. Nach Ende der Gefe-
chte werden die Kriegsgefangenen in der Regel unversehrt in die Heimat ausge-
wiesen oder gegen die eigenen Gefangenen mit dem Widersacher ausgetauscht.
Nicht selten haben sie sich jedoch während des Zwangsaufenthals im feindlichen
Gebiet eingerichtet, Freundschaften geschlossen oder gar Kinder gezeugt, wohl
wissend, dass es den Feind nur auf dem Schlachtfeld gibt. Wohl wissend, dass der
Mensch gegenüber, wie er auch immer dargestellt wird, uns ähnlicher ist, als es der
Politik beliebt. Und wohl wissend, dass er sich in derselben Situation befindet wie
die eigenen Soldaten, dass er mit demselben Ziel, für sein Land, seine Sache in den
Krieg zog. Gewiss hat es Ausnahmen und Missbräuche des Kriegsgefangenen-
rechts gegeben, jedoch stellen das  Beiseiteschieben und spätere Austauschen den
Brauch und auch das Gesetz dar.
Die Logik der Kriegsgefangenen, der solange festgehalten wird, wie der Krieg
dauert, ist freilich nur anwendbar, wenn der Krieg früher oder später zu einem
Ende kommt. Andernfalls stellt die Haft eine unlimitierte Freiheitsstrafe dar – was
den Kriegsgefangenen dann nicht wie bisher eine privilegiertere Stellung im Ver-
gleich zu zeitlich begrenzt inhaftierten Verbrechern einräumt, sondern diese
schlechter stellen würde (abgesehen von Verbrechern, die zu lebenslanger Haft
oder Todesstrafe verurteilt werden).
Selbst unter den Nationalsozialisten starb nur ungefähr 1 % aller amerikanischen
Soldaten, die in deutsche Kriegsgefangenschaft genommen wurden. Das Internati-
onale Komitee vom Roten Kreuz, das seit dem 19. Jahrhundert Kriegsgefangene in
Konflikten besucht, gibt an: „Es ist von wesentlicher Bedeutung, wie der Feind ge-
fangen genommen, festgehalten und vor Gericht gestellt wird. Von solchen Ent-
scheidungen hängt in der Tat ab, ob der Frieden gefördert oder der Konflikt ver-
schärft wird.“
Auch aus diesem Grund ist es laut Malcolm Nance, einem ehemaligen
Dozenten des US-Militärs, gängige Praxis, dass ein gefangengenommener
Feind nie von seinem Fänger oder dessen direkten Kollegen verhört wird.
Diejenigen, die der Feind auf dem Schlachtfeld bekämpft und deren Mitsoldaten er
möglicherweise getötet hat, sollen keine Befehlsgewalt über ihn haben. Die Person
wird sodann in die Hände von nicht direkt involvierten Befragern gegeben, die
weniger emotional belastet sind und weniger Rachegelüste hegen. Diese Grund-
regel, so Malcolm Nance, wurde im sogenannten Krieg gegen den Terror jedoch
ausgesetzt. (S.11ff.*)
*) Josef Alkatout, “Ohne Prozess - Die Entrechtung unserer Feinde
        im Kampf gegen den Terror”, 2018 Promedia Verlag