Am nächsten Tag, dem 10. Dezember 2014, dürfen Todenhöfer und seine Begleiter ein
Krankenhaus in Mosul besichtigen. Das Gebäude ist mit vielen IS-Fahnen bemalt. Die
–Wartesäle waren voller Menschen. Und auf TV-Geräten wurden Propagandavideos
von karitativen Aktivitäteten des IS gezeigt: „IS-Kämpfer beim Verteilen von Spielzeug
und Schulsachen an Mädchen, von Essen an Arme. Diese Art von IS-Videos kannten
wir bisher nicht. Ich hätte nicht gedacht, dass es sie gibt. Aber hier will man ja auch
nicht Furcht und Schrecken verbreiten.“ (S.218)
Ein Arzt, mit dem sie sprechen dürfen, beklagt, dass es einen großen Medikamenten-
mangel gebe. „Das Hauptproblem sei der Medikamentenboykott aus Bagdad. Beson-
ders seit die Regierung in Bagdad keine Medikamentenlieferungen mehr nach Mosul
zulasse. Schon vor der Machtübernahme durch den IS sei die Versorgung schlecht
gewesen. Jetzt aber sei sie fast so schlimm wie während der Sanktionen des Westens
gegen Saddam Hussein. Außerdem habe sich die Wasserversorgung verschlechtert.
Das Leitungswasser ist nicht mehr trinkbar. Mit dem IS habe er keine Probleme, die
Zusammenarbeit sei okay. Was soll er auch sonst sagen.“ (S.218)
Danach treffen sie einen Arzt, der zu ihrer Überraschung Deutsch spricht. Er stellt
ihnen mehrere Patienten vor. Die beiden ersten waren junge Kämpfer, der eine wurde
durch Panzerbeschuss der irakischen Armee verletzt, der zweite bei einem Bomben-
angriff der irakischen Luftwaffe. Beide hatten schwere Beinverletzungen.
Der letzte Patient, war kein IS-Kämpfer, wurde aber trotzdem bei einem Drohnen-
angriff schwer verletzt. Und auch Krankenhauspersonal soll von einer Drohne getötet
worden sein.
Todenhöfer schreibt dazu folgendes: „Der letzte Patient, mit dem wir sprechen, ist ein
etwas älterer Herr. Er ist vom Beruf Lastwagenfahrer. Er wurde letzten Samstag bei
einem Drohnangriff schwer verletzt. Überall am Körper hat er Schnitte und Wun-den.
Auch sein Gesicht ist mit Verletzungen übersät, seine Augen sind aufgequollen. An
Oberkörper, Bauch und an den Beinen hat er mehrere Raketensplitter abbekom-men.
Zwanzig Leute seien bei dem Angriff getötet worden. Laut ihm waren sie alle Zivilisten.
Auch er habe mit dem IS nichts zu tun, sagt er bitter. (….)
Bevor wir das Krankenhaus verlassen, erzählt uns der Arzt eine Geschichte, die sich
vor knapp zwei Wochen in Mosul ereignet haben soll. Eine US-Drohne habe am 27.
November auf zwei Krankenwagen des Krankenhauses geschossen. Als die Notärzte
fliehen wollten, wurden sie durch „Geschützfeuer der Drohne“ erschossen. Alle sechs
wurden getötet. Sie waren keine Kämpfer, sondern Krankenhauspersonal auf dem
Weg, Verletzte abzuholen.“ (S.219ff.)