Gülen und die „Erdogan-AKP“
Als die AKP 2002 an die Macht kam, arbeitete sie eng mit Mitgliedern von
Gülens „Cemaat“ zusammen, die bereits leitende Funktionen im Justizwesen
besetzten, um das Militär seiner politischen Macht zu berauben.
Gareth Jenkins von der Johns-Hopkins-Universität, der die schleichende
Machtergreifung der Gülen-Bewegung untersuchte, erklärte: „Den Gülenisten
war in der Polizei und dem Justizwesen praktisch freie Hand gelassen worden.
Auch wenn sie bereits vor der Machtübernahme der AKP einflussmäßig in der
Polizei Fuß gefasst hatten, verstärkte sich dieser Einfluss danach noch massiv.“
Die Gülen-Anhänger und die Erdogan-Fraktion in der AKP arbeiteten im
Grunde anfänglich zusammen, wenn es um die Ausschaltung wichtiger
Persönlichkeiten aus der säkularen Elite im Militär, der akademischen Welt,
unter Journalisten und linken Aktivisten ging.
Solche Leute wurden unter Missachtung ihrer Rechte verhaftet, und ihnen wurde
pauschal vorgeworfen, einen Sturz der türkischen Regierung geplant zu haben.
Nach der Jahrtausendwende breitete die Gülen-Bewegung ihr Spinnennetz
in alle Bereiche des säkularen türkischen Staates aus.
Die erfolgreiche Wahl Recep Tayyip Erdogans zum ersten islamistischen
Ministerpräsidenten der Türkei – seine AKP hatte bei den Parlamentswahlen
2002 die absolute Mehrheit errungen – ging Berichten zufolge auf eine
Absprache zwischen den politisch ehrgeizigen Erdogan und dem gleichfalls
ehrgeizigen, aber diskreteren Fethullah Gülen zurück.
Als Gegenleistung für seinen Aufruf an seine Anhänger, für Erdogan und die
AKP zu stimmen, wurde Gülen offizieller „Schutz“ für seine Bewegung in der
Türkei zugesagt. Ein kenntnisreicher amerikanischer Diplomat erklärte 2004,
praktisch ein Fünftel der AKP-Parlamentarier seien Gülen Anhänger, die ihre
„Befehle“ von Gülen erhielten. Dazu zählten bemerkenswerterweise auch der
Justiz- und der Kultusminister.