Die Gülen Bewegung in Russland und Asien
Gülens Organisation war praktisch seit der Zeit, als die Sowjetunion 1991 zusam-
menbrach und die vorwiegend muslimischen ehemaligen Sowjetrepubliken Zentralasiens
ihre Unabhängigkeit von Moskau erklärten, aktiv an dieser Destabilisierung beteiligt, mit
Unterstützung der CIA. Eine zuverlässige Quelle des FBI bezeichnete Gülen daher auch
als „eine der wichtigsten operativen Personen des CIA in Zentralasien und im Kaukasus.“
Mitte der 1990er Jahre hatte sich inmitten des Chaos der postsowjetischen Ära
unter dem russischen Präsidenten Boris Jelzin ein Netzwerk aus mehr als 70
Gülen-Schulen nach Kasachstan, Tadschikistan, Aserbaidschan, Turkmenistan,
Kirgistan, Usbekistan und selbst nach Dagestan und Tatarstan in Russland
ausgebreitet.
Diese Schulen folgten alle dem gleichen „Elitschulen“-Modell. Sie boten eine qualitativ
hochwertige Bildung und Erziehung in der jeweiligen Landessprache sowie in Russland,
Türkisch und Englisch an und wählten ihre Schüler nur aus den „besten“ Familien aus,
deren Kinder mit hoher Sicherheit einmal zur künftigen Elite ihres Landes gehören
würden.
Durchaus vergleichbar mit den römisch-katholischen Jesuiten wurden Gülens Elite-
schüler in Zentralasien in nur von Jungen und junge Männern bewohnten, internats-
ähnlichen Schulen unterrichtet. Es handelte sich um kollektiv strukturierte Zentren, in
denen sich das ganze Leben abspielte, strikte Disziplin herrschte und absoluter Gehorsam
eingefordert wurde. Das tägliche Lesen im Koran wurde ebenso wie das fünfmalige
Gebet zur Pflicht, und auch eine ständige Auseinandersetzung mit den Schriften Gülens
wurde gefordert. Die Schüler wurden mit der „Lehre der Gemeinde“ (Ceemat) indoktri-
niert.
Ein ehemaliger Gülen-Anhänger verglich diese ständige Indoktrination mit dem
Vorgehen der Scientology-Sekte.
Die Gülen-Bewegung konzentrierte ihre Rekrutierungsbemühungen hauptsächlich auf
junge männliche Muslime, weil man dort wusste, dass diese jungen Menschen leicht-
gläubig und daher leicht zu indoktrinieren waren.
In den Gülen-Schulen waren die Schülerinnen und Schüler gezwungen, Uniform zu
tragen. Die Aufgabe dieser Schulen bestand nominell darin, den Islam zu stärken, aber
dabei ging es eben um eine Version des Islam, wie ihn die Gülen-Bewegung verstand. Es
war eine genau durchdachte Strategie zur Unterwanderung der früheren Sowjetunion bis
hinein in die autonome, vorwiegend vom muslimischen Turkvolk der Uiguren bewohnte
chinesische Provinz Xinjiang, das Zentrum der chinesischen Erdöl- und Energie-
wirtschaft.
Die islamistischen Kader – mit Gülen assoziierte türkische Geschäfsleute,
Studenten und Lehrer – wurden mit ihrer gut vorbereiteten Strategie praktisch
unmittelbar nach der Auflösung der Sowjetunion in die ehemaligen Teilrepubliken
der Sowjetunion entsandt.
Ein Feldforscher vor Ort in Zentralasien beschrieb das Vorgehen Gülens so: „Die
Methode war immer die gleiche: Geschäftsleute aus einer bestimmten Stadt in der
Türkei, zum Beispiel Bursa, entschieden sich dafür, ihre geschäftlichen Bemühungen auf
eine bestimmte zentralasiatische Stadt, beispielsweise Taschkent, zu konzentrieren. Mit
Gülen in Verbindung stehende Investitionen gewannen dann in Taschkent große Bedeu-
tung, und daraus entwickelte sich eine Art intensiver Wechselbeziehung zwischen diesen
beiden Städten.
Mitglieder der Gülen-Bewegung – so etwas wie Missionare – wurden dann von der
Bewegung entsandt mit dem Ziel, vor Ort Kontakte mit wichtigen Unternehmen,
Beamten und anderen Persönlichkeiten zu knüpfen, um sich ein Bild von den lokalen
Bedürfnissen zu machen. Dann wurden einige dieser wichtigen Persönlichkeiten in die
Türkei eingeladen. Die Gastgeber – Anhänger der Gülen-Bewegung - begrüßten sie
persönlich und zeigten ihnen die Privatschulen und die Stiftungen der Gülen-Gemeinde
(Cemaat), ohne allerdings die Verbindung zur islamistischen Gülen-Bewegung mit einem
Wort zu erwähnen.“
Kader der Gülen-Bewegung überfluteten die zentralasiatischen Republiken mit ihrer
Literatur und gaben in Bischkek, in der turkmenischen Hauptstadt Asgabat und in
Almaty sogar Lokalausgaben der Gülen-Zeitung Zaman heraus.
Ein neues osmanisches Kalifat begann sich für Gülen und seine Unterstützer in
Washington am Horizont abzuzeichnen.
Die CIA stellt die „Englischlehrer“
Als sich Anfang der 1990er Jahre die Gülen-Schulen in den früheren Teilrepu-
bliken der Sowjetunion und auch in Russland ausbreiteten, dienten viele, wenn
nicht sogar alle Schulen als operative Stützpunkte für CIA-Agenten, um in die
betreffenden umliegenden Regionen vorzudringen und sie zu infiltrieren.
2011 veröffentlichte Osman Nuri Gündes, ehemaliger Chef des türkischen Auslands-
geheimdienstes und zugleich in den 1999er Jahren wichtigster Geheimdienstberater des
damaligen Ministerpräsidenten Tansu Ciller, ein Buch, das wie ein Bombe einschlug,
auch wenn es nur in der Türkei veröffentlicht wurde. In diesem Buch enthüllte der
damals 85-jährige und pensionierte Gündes, dass die Gülen Schulen, die sich in den
1990er Jahren in ganz Eurasien ausgebreitet hatten, hunderten CIA-Agenten als Opera-
tionsbasen dienten, die an den Schulen unter dem Deckmantel „muttersprachlicher
Englischlehrer“ angestellt waren.
Laut Gündes brachte die Gülen-Bewegung allein in ihren Schulen in Kirgistan und
Usgekistan „130 CIA-Agenten unter“. Interessanterweise waren alle diese amerikanische
„Englischlehrer“ mit amerikanischen Diplomatenpässen versehen, eine durchaus unge-
wöhnliche Vorgehensweise. In seinem Buch schildert Gündes, dass ein Vertreter der
Gülen Bewegung 18 Schulen in Usbekistan besaß, in denen 70 CIA-Mitarbeiter im
Rahmen eines Projekts mit dem Deckmantel „Freundschaftsbrücke“ „Englisch unter-
richtete“. Diese CIA-„Lehrer“ lieferten ihre Berichte an eine Abteilung des Pentagons.
Gleichzeitig, so Gündes weiter, hätten sich 60 amerikanische CIA-Mitarbeiter an wei-
teren Gülen-Schulen als „Englischlehrer“ ausgegeben und ebenfalls amerikanische
Diplomatenpässe besessen.
Darüber hinaus behauptete Gündes, erste Kontakte Gülens mit der CIA gingen bis in
die 1980er Jahre zurück, als der damals noch unbekannte Gülen sich fanatischen,
rechts-gerichteten, antikommunistischen Kreisen in der Türkei anschloss, die vom
Gladio-Netzwerk der CIA und der NATO unterstützt wurden.
Unter dem CIA-Decknamen Counter-Guerilla war dieses Gladio-Netzwerk für eine
Reihe rechts-extremer Terroranschläge und sogar für den blutigen, von den USA
unterstützten Militärputsch 1980 in der Türkei verantwortlich. Counter-Guerilla-
Todesschwadronen waren in den 1970er und 1980er Jahren für 3500 ungeklärte
Mordfälle im Südosten der Türkei verantwortlich. Fethulla Gülens Vergangenheit hat
definitiv wenig mit „Peace and Love“ zu tun.
Gülen gründete damals seine eigene antikommunistische Organisation in der Stadt
Erzurum und arbeitete bei einem CIA-Propagandaprojekt, das sich gegen die
Sowjetunion richtete, mit Radio Free Europe zusammen.
An dem Projekt war auch Paul Henze beteiligt, der frühere CIA-Stationschef in Istanbul,
der auch eine Schlüssel-figur beim türkischen Putsch von 1980 gewesen war. Auch
Richard Perle, 1981 Staats-sekretär im US-Verteidigungsministerium und als solcher für
die internationale Sicher-heitspolitik der neuen Regierung Reagan verantwortlich, wurde
auf Gülen aufmerksam. Gülens wichtigster Verbindungsmann zur CIA war und blieb
aber Morton Abramowitz, der schon in der Türkei als CIA-Mitarbeiter tätig war, bevor
er dort Ende der 1980er Jahre amerikanischer Botschafter wurde.
Die Reaktion russischer und anderer zentralasiatischer Geheimdienste auf die
Aktivitäten der Gülten Bewegung ließ nicht lange auf sich warten. Die russische
Regierung verbot alle Gülen-Schulen und die Aktivitäten seiner Nur-Sekte in Russland.
Mehr als 20 türkische Gülen-Anhänger wurden zwischen 2002 und 2004 aus Russland
ausgewiesen.
1999 schloss Usbekistan alle Gülen-Madrasas, verhaftete acht Journalisten, die an
Gülen-Schulen ausgebildet worden waren, und verurteilte sie wegen des Aufbaus
illegaler religiöser Gruppen und der Beteiligung an einer extremistischen Organisation.
In Turkmenistan unterstellten die Regierungsbehörden die Gülen-Schulen einer
strengen Aufsicht und ordneten an, sie müssten den Unterricht in Religionsgeschichte aus
den Curricula streichen.
Aber damit war das Vordringen Gülens und der CIA in Zentralasien unter dem
Deckmantel des Islam nicht unterbunden. Es ging im Verborgenen weiter.