Gorbatschow warnt vor neuem “Kalten Krieg”:
Der Friedensnobelpreisträger, entscheidender Wegbereiter der deutschen Einheit,
warf bei den 25-Jahr-Feierlichkeiten zum “Fall der Berliner Mauer” am
8.11.2014 dem Westen und insbesondere den USA vor, ihre Versprechen nach der
Wende 1989 nicht gehalten zu haben. Stattdessen habe man sich zum Sieger im
Kalten Krieg erklärt und Vorteile aus Russlands Schwäche gezogen. Er sprach in
diesem Zusammenhang von einem "Triumphalismus" vor allem der USA. "Die
Ereignisse der vergangenen Monate sind die Konsequenzen aus einer kurzsichtigen
Politik, aus dem Versuch, vollendete Tatsachen zu schaffen und die Interessen des
Partners zu ignorieren."
Bereits in den 1990er-Jahren habe der Westen begonnen, im Verhältnis zu
Russland das Vertrauen zu untergraben, das die friedliche Revolution in
Deutschland und in Mittel-Osteuropa möglich gemacht habe. "Die NATO-
Erweiterung, Jugoslawien und vor allem das Kosovo, Raketenabwehrpläne, Irak,
Libyen, Syrien", nannte Gorbatschow als Beispiele. "Und wer leidet am meisten
unter der Entwicklung? Es ist Europa, unser gemeinsames Haus."
Gorbatschow fordert Aufhebung der Sanktionen
Ungeachtet der schweren Vertrauenskrise forderte Gorbatschow, dessen Politik der
Öffnung die Wiedervereinigung erst ermöglicht hatte, eine Stabilisierung der
deutsch-russischen Beziehungen. "Lasst uns daran erinnern, dass es ohne deutsch-
russische Partnerschaft keine Sicherheit in Europa geben kann." Wenn es nicht
gelingen sollte, Sicherheit in Europa zu erreichen, würde der Kontinent bei der
Lösung weltweiter Probleme irrelevant.
Auch der frühere deutsche Außenminister Hans-Dietrich Genscher forderte
angesichts der aktuellen Ost-West-Spannungen um die Ukraine einen "Neuanfang"
für Europa. Zum 25. Jahrestag des Mauerfalls sagte Genscher der Deutschen
Welle: "Es besteht eine große Sorge, weil ich nicht glaube, dass aus den Chancen,
die das Jahr 1989 geboten hat, das gemacht wurde, was gemacht werden konnte."
Genscher musste aus gesundheitlichen Gründen die Teilnahme an einem
Symposium mit Gorbatschow absagen.
In dem Interview sagte er, das Bemühen um das "gemeinsame europäische Haus",
wie es Gorbatschow gefordert habe, brauche neue Energie. So müsse der NATO-
Russland-Rat wiederbelebt werden. "Diese große Errungenschaft" sei gerade für
Krisenzeiten geschaffen worden. "Jetzt haben wir die Krise, und der Rat tritt nicht
zusammen. Ich denke, hier haben beide Seiten Anlass nachzudenken", betonte der
87-Jährige, der als Außenminister 1989 einer der Architekten der Wiedervereini-
gung war.
Quelle und gesamter Artikel:
http://www.tagesschau.de/ausland/gorbatschow-kritisiert-westen-105.html