Selbst ist ein uneinheitlich verwendeter Begriff mit psychologischen, pädagogi-
schen, soziologischen, philosophischen und theologischen Bedeutungsvarianten.
Im Sinn der Selbstbeobachtung, also in Bezug auf die Empfindung, ein einheit-
liches, konsistent fühlendes, denkendes und handelndes Wesen zu sein, dient er zur
Reflexion, Verstärkung und Betonung des Begriffs Ich.
Das Selbst wird verwendet im Sinne des Zentrums der Persönlichkeit. Der
Brockhaus Psychologie bietet eine große Zahl von Begriffen, die mit dem Wort
“Selbst” gebildet sind.
Selbst als psychologischer Begriff
William James unterschied das erkennende Selbst (self as knower, I, pure ego)
vom erkannten Selbst (self as known, me, empirical ego). In dieser Tradition
unterscheidet die Psychologie das (dem empirischen Ego entsprechende) Selbst-
konzept, also die Antwort auf die Frage „Wer bin ich?“, vom Nachdenken über
sich selbst, der Selbstaufmerksamkeit (self-awareness). Gemeinsam erzeugen sie
das Gefühl einer Ich-Identität, welche sich im Zuge der Ich-Entwicklung verändert.
Im Anschluss an James hat der Soziologe Charles Cooley das Konzept des Look-
ing-glass self entwickelt.
George Herbert Mead unterschied das materielle oder das Körperselbst vom
sozialen oder geistigen Selbst als Ort der Weltanschauungen.
C. G. Jung sah im Selbst eher ein Ziel der Entwicklung des Menschen
(Selbstwerdung).
Vilaynur S. Ramachandran und Sandra Blakeslee sprechen von einem exekutiven
Selbst, das die Handlungsplanung und Differenzierung der Interaktion mit der
Welt je nach Realitätskonstellation verantwortet. Es zeichne sich durch eine
gewisse Souveränität aus, denn ein Selbst, das von Trieben gedrängt werde, sei
kein Selbst. Es müsse so etwas wie einen freien Willen besitzen. Um diese Koor-
dination leisten zu können, muss das Selbst nach Ramachandran sowohl eine
Repräsentation der Welt als auch eigener Strukturen in sich besitzen.
Selbstkonzept
Das Selbstkonzept ist das hauptsächlich auf Erinnerungen beruhende Wissen, wer
man selbst ist. Als empirisches Destillat unterliegt es in der Lebenszeit erheblichen
Veränderungen.
Wie der sogenannte Spiegeltest zeigt, beginnen Kinder im Alter von etwa zwei
Jahren mit der Entwicklung eines Selbstkonzeptes. Anfangs besteht es aus kon-
kreten, beobachtbaren Eigenschaften wie Alter, Geschlecht, Haarfarbe usw. Im
Laufe des Lebens kommen immer mehr Gedanken, Gefühle und abstrakte Kons-
trukte (Temperament, Nationalität, Religion usw.) dazu.  William James unter-
scheidet materielle Anteile (der eigene Körper, die eigene Familie, die eigenen
Besitztümer usw.), soziale Anteile (die verschiedenen sozialen Rollen) und
spirituelle Anteile (Einstellungen, moralische Urteile usw.).
Eine andere Kategorisierung nimmt Sigrun-Heide Filipp vor, die deskriptive 
(Faktenwissen über die eigene Person wie: „Ich habe einen Sohn“) von evalu-
ativen (Bewertungen über eigene Eigenschaften wie: „Ich bin eine gute Mutter“)
Elementen trennt.
Informationsquellen für das Wissen über sich selbst findet der Mensch
1.
in der Beobachtung des eigenen Verhaltens (sog. reflexive
Prädikatenzuweisung; s. Daryl J. Bems Selbstwahrnehmungstheorie)
2.
in der Bewertung des eigenen Verhaltens (sog. ideationale
Prädikatenzuweisung)
3.
in Äußerungen von Mitmenschen (sog. direkte Prädikatenzuweisung)
4.
in der Deutung der Reaktionen von Mitmenschen (sog. indirekte
Prädikatenzuweisung)
5.
im Vergleich mit Mitmenschen (sog. komparative Prädikatenzuweisung)[11]
Selbstaufmerksamkeit
Die Aufmerksamkeit auf das eigene Selbst zu richten kann zu einem unange-
nehmen Gefühl führen, da der Vergleich des realen Selbst mit einem idealen Selbst
zur kognitiven Dissonanz führen kann. Dennoch trägt die Selbstaufmerksamkeit zu
der Empfindung einer konstanten Identität bei (vgl. Karl Jaspers Subjekt-Objekt-
Spaltung).
Ordnungsfunktion
Häufige oder besonders intensive, also prägende, Erfahrungen formieren sich zu
Schemata, die beeinflussen, was man wahrnimmt, wie man darüber denkt und wo-
ran man sich erinnert. Das gilt auch für Selbst-Schemata. So werden Adjektive,
die mit dem Selbstkonzept übereinstimmen, besser erinnert und schneller verar-
beitet als widersprechende Adjektive (der sogenannte Self-Reference-Effekt). 
Allerdings führt die Vermeidung von Selbstaufmerksamkeit dazu, dass uns häufig
stabile Schemata über unsere eigene Persönlichkeitseigenschaften fehlen.
Selbstwertgefühl
Selbstwertgefühl ist die subjektive Bewertung und Wahrnehmung der eigenen
Person. Heute nimmt man eine hierarchische Gliederung an: Zum einen existiert
ein generelles, übergeordnetes Selbstwertgefühl, zum anderen eine Reihe bereich-
spezifischer, untergeordneter und voneinander unabhängiger Selbstwerteinschätz-
ungen.
Einige Autoren fanden in Untersuchungen mittels Faktorenanalyse ein intellek-
tuelles, ein emotionales, ein physisches und ein soziales Selbstwertgefühl. Andere
konstatierten bei Kindergartenkindern soziales, kognitives und sportliches Selbst-
wertgefühl.
Untersuchungen zeigen, dass die bereichsspezifischen Selbstwerte zeitlich stabiler
und resistenter gegenüber momentanen Stimmungen und situativen Einflüssen
sind, als das zeitlich weniger stabile generelle Selbstwertgefühl.
Selbst in der psychoanalytischen Sichtweise
Das Ich vermittelt realitätsgerecht zwischen den Ansprüchen des Es (= Triebe,
Unterbewusstes), des Über-Ich (= Normen der Gesellschaft/Eltern etc.) und der
sozialen Umwelt. Es orientiert sich an seinen eigenen psychischen Fähigkeiten und
Möglichkeiten und an den möglichen und realen Gegebenheiten der Naturwelt und
der Kulturwelt. Den Wissenserwerb darüber nennt man Selbsterkenntnis. Sie ist
die Voraussetzung nahezu jeder glückenden Selbstverwirklichung.
Das Ich benötigt also für seine Vermittlungs-Funktion realitätsgerechte Vorstellun-
gen über sich selbst, die man Selbst bzw. Selbstrepräsentanzen nennt. Aus den
Selbstrepräsentanzen bezieht ein Mensch seine Selbstdefinition, seine psycho-
soziale Identität. Er bezieht von hierher „sein Selbstbewusstsein, seine Selbst-
achtung, sein Verständnis von Selbstverwirklichung“. 
Auf den ersten Blick scheint es, dass sich Ich und Selbst kaum unterscheiden. Der
Schein trügt: Das Selbst als das Gesamte der strukturierten Vorstellungen vom
idealen Ich ist nicht reflexions- und kritikfähig (vgl. auch Selbstbild). Nur das Ich
mit seinen Funktionen des Wahrnehmens, Denkens und des Gedächtnisses vermag
zu reflektieren und selbstkritisch zu sein.
Die Ausbildung eines kritischen Selbst ist eine der Hauptfunktionen des Ich. Das
Selbst manifestiert sich in geerbten und erworbenen Rollen: Tochter – Sohn, Bür-
gerin – Bürger, Beruf, Glaubensstand usw. Diese Profile ermöglichen Handlungs-
fähigkeit, so etwas wie Subjektkonstitution gegenüber der Fremdbestimmung. Das
Feld zwischen Ich und Selbst beschreibt den Handlungsspielraum zwischen gebän-
digtem Affekt, Verantwortung und Ökonomie. Dies ist nicht nur konzeptionell
interessant, sondern ebenso konkret in alltägliche Handlungen übersetzbar.
Ein Selbst kann man dann kritisch nennen bzw. die Selbstrepräsentanzen sind dann
vom Ich kritisch erfasst und ausgebildet worden, wenn sie die Grenzen des Selbst
(der Person) zureichend realistisch erfassen und dem Bewusstsein widerspiegeln.
Dass man sich wirklichkeitsnah wahrnimmt, setzt Selbsterkenntnis voraus.
Selbsterkenntnis ist die oft als demütigend und schmerzhaft empfundene
Erkenntnis der realen Grenzen des Selbst. Schmerzhaft ist das, weil sich jeder
gerne ungefährdeter, bedeutender und sicherer sehen will, als er – gemessen an
seinen Vorstellungen davon – in Wahrheit ist. Diesen Sachverhalt bezeichnet man
als Narzissmus.
Friedrich Nietzsches Aphorismus „Was sagt dein Gewissen? – Du sollst der
werden, der du bist“ (d. h. von deinen Fähigkeiten und Möglichkeiten her, von
deinen Wesens-Anlagen her und Wesens-Möglichkeiten her) ist zunächst schein-
bar ein Anspruch, der von der erzieherischen Umwelt her einer Person angetragen
wird und durch das Ich durch Belohnungs- und Bestrafungsmechanismen ins Über-
Ich hineinsozialisiert werden soll. Aber es ist auch ein mehr oder weniger unbe-
wusster Anspruch aus dem Es: Der psychosomatische Bewegungsdrang, der
Neugierdrang (Wahrnehmungsinteresse) und Bestätigungs-Drang (Primär-Narziss-
mus) führen dazu, sich zu erproben, zu behaupten und Probleme lösen zu wollen.
Das Ich muss jedoch die Handlungsimpulse und Handlungsansprüche aus dem Es,
dem Über-Ich und aus der sozialen Umwelt kritisch und vor allem selbstkritisch
prüfen und dann handlungsleitend einsetzen, so dass man sagen kann: „Werde, der
du bist“ ist ein Anspruch des ich-funktional gebildeten Gewissens.
Das Selbst in der Gesprächspsychotherapie
Eine Person, deren Aufmerksamkeit auf Ihr Selbst gerichtet ist, versucht zu erfor-
schen und zu klären, was ihre Erlebnisse für sie bedeuten, was sie dabei fühlt. Sie
kommt sich dadurch selbst näher (Tausch/Tausch).
Diese Auseinandersetzung kann in Gesprächen erfolgen. Ein Gespräch ist dabei so
etwas wie eine Selbstöffnung. Die Person äußert persönliche Erfahrungen (Fühlen,
Vorstellungen), die für sie kennzeichnend sind. Gleichzeitig sind sie von großer
Bedeutung für sie selbst und auch verbindlich für sich selbst, für ihr Erleben. Sie
rückt Ihre eigenen Erfahrungen und Wahrnehmungen ins Zentrum ihres Erlebens
und setzt sich mit sich selbst auseinander. Reinhard Tausch und Anne-Marie
Tausch nennen das einen wesentlichen „heilsamen“ Vorgang.
Selbst im Hinduismus
Alle Lebewesen bestehen nach hinduistischer Auffassung aus drei
unterschiedlichen Wirklichkeiten:
-
dem Atman (das Selbst, die ewige, unzerstörbare, innere Gestalt jedes
Wesens)
-
der sterblichen, physischen Hülle (dem stofflichen Körper)
-
dem feinstofflichen Körper mit den folgenden vier Aspekten:
o
Ahamkara – Das Sich-als-eine-Einheit,-eine-Person-Wissen,-
Fühlen,-Erleben. Das Ahankara ermöglicht es, dass sich die Atman-
Seele mit den unterschiedlichsten psychischen und physischen
Zuständen identifizieren kann.
o
Citta – das dem Verstand zugrunde liegende Bewusstsein. Es ist
weithin unterbewusst.
o
Buddhi – Intelligenz, Vernunft.
o
Manas – Denken, Fühlen, Wollen (wird oft mit Geist oder Verstand
übersetzt).
Der feinstoffliche Körper begleitet den Atman durch all seine Geburten und wird
erst abgelegt, wenn der Atman die veränderliche Welt und den Kreislauf der Wie-
dergeburten verlässt.
Die hinduistische Reinkarnationslehre besagt, dass beim Tode lediglich der
Atman, gemeinsam mit der feinstofflichen Hülle, den physischen Körper verlässt.
In vielen deutschsprachigen Übersetzungen indischer Texte wird Seele daher oft
synonym zur Definition des Atmans verwendet.
In der Bhagavad Gita, deren Philosophie auf eine praktische Anweisung zum
Handeln zielt, wird das ewige Selbst als höchste und wichtigste Instanz für das
menschliche Handeln angesehen.
So heißt es im Dritten Gesang in Vers 17:
Doch wer an seinem Selbst sich freut, An seinem eignen Selbst vergnügt, Für den
bleibt hier nichts mehr zu tun, Weil ihm sein eignes Selbst genügt.
und weiter in Vers 42: Mächt'ger als dieser der Verstand, weit mächt'ger noch
das ew'ge „Selbst“. Wenn seine Macht du hast erkannt, dann stärke durch das
Selbst dein Selbst.
Im sechsten Gesang wird das Verhältnis von Selbst und Triebkräften so
geschildert:
Der steht mit seinem Selbst im Bund, Der sich aus eigner Kraft besiegt; In
Feindschaft lebt mit seinem Selbst, Wer seinen Trieben unterliegt..
Quelle: Wikipedia (https://de.wikipedia.org/wiki/Selbst)
             dort gibt es weitere Quellenangaben (Jänner 2017)