Auszug aus dem Jahresbericht für das Jahr 2009 von Amnesty International
über Israel und die besetzten palästinensischen Gebiete:
Am 27. Dezember 2008 begannen israelische Streitkräfte im Gazastreifen
unter dem Codenamen "Operation Cast Lead" eine Militäroffensive
beispiellosen Ausmaßes. Dabei wurden zahlreiche Zivilisten getötet, Häuser
und anderes privates Eigentum zerstört.
Bereits zu einem früheren Zeitpunkt war die Anzahl der Zivilisten und anderer
Personen, die sowohl von den israelischen Streitkräften als auch von palästi-
nensischen bewaffneten Gruppierungen in Israel und in den besetzten
Gebieten getötet wurden, dramatisch angestiegen, bevor im Juni eine
Waffenruhe in Kraft trat (vgl. auch Länderbericht zu den Palästinensischen
Autonomiegebieten).
In der ersten Jahreshälfte wurden 425 Palästinenser getötet, darunter etwa 70
Kinder. Zusätzlich zu der großangelegten Zerstörung von Häusern und Eigen-
tum im Gazastreifen griffen israelische Streitkräfte auch palästinensische
Häuser im Westjordanland und in den Beduinendörfern im Süden Israels an.
Während des gesamten Jahres schränkte die israelische Armee die
Bewegungsfreiheit der palästinensischen Bevölkerung in den besetzten
Gebieten drastisch ein.
Die Blockade des Gazastreifens zog eine noch nie dagewesene humanitäre
Notlage nach sich und führte dazu, dass die 1,5 Mio. palästinensischen
Einwohner des Gebiets praktisch interniert waren. Weiter verschlimmert wurde
die Lage durch die Militäroffensive der israelischen Streitkräfte am 27. Dezem-
ber. Hunderten von schwer kranken Patienten wurde die Ausreise aus dem
Gazastreifen verweigert, obwohl sie dringend medizinische Behandlung
benötigten, die in den lokalen Kliniken nicht zur Verfügung stand. Zahlreiche
Kranke starben.
Hunderte von Studenten konnten ihr Studium an Universitäten im Ausland
nicht aufnehmen, weil sie Gaza nicht verlassen durften. Im Gazastreifen selbst
gab es nur wenige Ausbildungsmöglichkeiten. Der Großteil der Einwohner des
Gazastreifens war auf internationale Hilfslieferungen angewiesen, doch die
israelische Blockade machte es den UN-Organisationen schwer, die Bevöl-
kerung mit Hilfsleistungen zu versorgen.
Im Westjordanland war die Bewegungsfreiheit der Palästinenser massiv
eingeschränkt, zum einen durch rund 600 israelische Kontrollpunkte und
Straßensperren, zum anderen durch die Mauer bzw. den Zaun auf einer Länge
von 700 km, die bzw. der von der israelischen Armee überwiegend auf dem
Gebiet des Westjordanlandes weitergebaut wird. Der Ausbau der illegalen
israelischen Siedlungen auf beschlagnahmtem palästinensischem Boden stieg
auf den höchsten Stand seit 2001.
Israelische Soldaten und Siedler, die sich schwerer Vergehen gegen Palästi-
nenser schuldig gemacht hatten, darunter auch ungesetzliche Tötungen, Über-
fälle und Angriffe auf Eigentum, gingen in den meisten Fällen straflos aus.
Die israelischen Streitkräfte nahmen Hunderte von Palästinensern fest. Es gab
zahlreiche Berichte über Folterungen und Misshandlungen, doch wurden diese
Vorwürfe nur sehr selten untersucht. Etwa 8000 Palästinenser befanden sich
weiterhin in israelischen Gefängnissen, viele von ihnen nach unfairen
Militärprozessen. (...)
Folterungen und Misshandlungen
Die Zahl der Berichte über Folterungen und Misshandlungen durch den
israelischen Allgemeinen Sicherheitsdienst (General Security Service - GSS)
nahm zu. Dies betraf vor allem Verhöre von Palästinensern, die verdächtigt
wurden, bewaffnete Übergriffe geplant oder ausgeführt zu haben. Den
Berichten zufolge mussten Gefangene über längere Zeiträume gefesselt in
schmerzhaften Positionen verharren, durften nicht schlafen oder man drohte,
ihren Verwandten etwas anzutun. Schläge und andere Misshandlungen waren
während und nach der Verhaftung üblich sowie während des Transports von
einem Haftort zum nächsten.
Zunehmende Gewalt durch Siedler
Die gewalttätigen Übergriffe von israelischen Siedlern auf Palästinenser und
ihr Eigentum nahmen im gesamten Westjordanland insbesondere im letzten
Quartal 2008 erheblich zu. Die Angriffe fanden vor allem während der
Olivenernte statt und als die israelischen Streitkräfte versuchten, ein Haus zu
räumen, das von Siedlern in Hebron besetzt worden war. Die Siedler, die
solche Überfälle ausführten, waren häufig bewaffnet. Im Dezember schoss ein
Siedler in Hebron auf zwei Palästinenser und verletzte sie.
Straflosigkeit
Israelische Militärrichter ordneten nur in seltenen Fällen Untersuchungen an,
wenn palästinensische Gefangene während ihrer Prozesse vor den
Militärgerichten angaben, sie seien gefoltert oder misshandelt worden. Soweit
bekannt, wurde kein GSS-Beamter wegen Folterung von Palästinensern
strafrechtlich verfolgt. Im Oktober reichten zwei israelische
Menschenrechtsorganisationen bei Gericht eine Petition ein, in der das
Justizministerium aufgefordert wurde, darzulegen, wie mit Folter- und
Misshandlungsvorwürfen verfahren wird, die palästinensische Gefangene
gegen den GSS erheben.
Israelische Soldaten und Angehörige der Sicherheitskräfte sowie israelische
Siedler genossen in der Regel Straffreiheit, wenn sie schwere
Menschenrechtsverstöße gegen Palästinenser verübten, wie ungesetzliche
Tötungen, tätliche Angriffe und Übergriffe auf ihr Eigentum. Nur in wenigen
Fällen fanden Ermittlungen statt, und diese wurden in der Regel aus "Mangel
an Beweisen" eingestellt.
Strafverfolgungsmaßnahmen
waren selten und beschränkten sich auf Ereignisse, die von
Menschenrechtsorganisationen oder den Medien aufgegriffen worden waren. In
solchen Fällen wurden Soldaten, denen ungesetzliche Tötungen von
Palästinensern zur Last gelegt wurden, lediglich wegen Totschlags und nicht
wegen Mordes angeklagt. Soldaten und Siedler, die wegen Misshandlungen
von Palästinensern vor Gericht standen, erhielten im Allgemeinen sehr milde
Strafen.”
Gesamte Bericht von “Amnesty International” siehe:
http://www.amnesty.de/jahresbericht/2009/israel-und-besetzte-palaestinensische-gebiete